Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Aktion und Kunst im öffentlichen Raum.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Am gestrigen Donnerstag wurden in der Türkei die beiden Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Figen Yüksekdag und Selahattin Demirtas, sowie neun weitere gewählte Abgeordnete, verhaftet.
Medienberichten zufolge fanden die Polizeirazzien mit den Festnahmen der HDP-PolitikerInnen in mehreren türkischen Städten statt. Auch die Parteizentrale in Ankara wurde durchsucht sowie eine Pressekonferenz der prokurdischen linken Partei durch die Polizei verhindert.
Die HDP ist mit 59 Sitzen die drittgrößte Partei im türkischen Parlament und die größte politische Vertretung der kurdischen Bevölkerung. Bereits im Mai war die Immunität von 50 Abgeordneten der HDP aufgehoben worden, was der aktuellen Kriminalisierungswelle den Boden bereitete.
Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns hat nach einem Gerichtsverfahren eine Gegendarstellung veröffentlicht, in der sie einräumt, die Rote Hilfe e.V. (RH) ohne jeden Anhaltspunkt mit Straftaten in Verbindung gebracht zu haben.
Die NPD-Fraktion hatte 2013 im Landtag Mecklenburg-Vorpommern eine Große Anfrage zu „linksextremistischen Straftaten“ gestellt. Im von der Landesregierung dazu vorgelegten Bericht, der auf den „Erkenntnissen“ des sogenannten Verfassungsschutzes beruht, wurde die Rote Hilfe mehrfach im Zusammenhang mit konkreten Strafsachen genannt, die ohne ersichtliche Begründung dem 'Personenzusammenschluss Rote Hilfe e.V.' zugeordnet wurden.
Im September 2015 schloss der ungarische Staat gewaltsam seine Grenze zu Serbien und stellte das Überqueren der Grenze unter Strafe . Daraufhin demonstrierten am 16.9.2015 5000 geflüchtete Menschen am Grenzübergang Röszke/Horgoš für ihr Recht auf Asyl und Bewegungsfreiheit. Die Polizei griff mit Knüppeln, Tränengas und Wasserwerfern an und verletzte zahlreiche Geflüchtete, darunter auch Kinder sowie kranke und ältere Menschen. Elf Demonstrant*innen wurden von Anti-Terror-Einheiten in Untersuchungshaft genommen.
Zehn Inhaftierte wurden bereits zu Gefängnisstrafen zwischen einem und drei Jahren verurteilt oder für bis zu zehn Jahre aus Ungarn ausgewiesen.
Der zwanzigjährige Ahmed H. wartet in einem Budapester Gefängnis noch immer auf seinen zweiten Prozesstag. Nachdem er angeblich Steine geworfen haben soll, sieht er sich mit dem Vorwurf des Terrorismus konfrontiert. Damit droht ihm eine Haftstrafe von bis zu zwanzig Jahren.
Ahmeds erster Prozesstag verdeutlichte den Charakter des gesamten Verfahrens, das als reiner Schauprozess zu verstehen ist: Es wurden ausschließlich Aussagen der Polizisten der Anti-Terror-Einheit gehört sowie Videomaterial verwendet, das den tatsächlichen Hergang des Protests vollkommen entstellte. In den anderen Prozessen wurden bereits vorsätzlich falsche Übersetzungen, genutzt um die Angeklagten verurteilen zu können.
Es ist offensichtlich, dass an Ahmed H. und an den anderen Beschuldigten in den Verfahren zu Röszke11 ein Exempel statuiert werden soll. Es wird eine Atmosphäre der Angst kreiert, um ohnehin traumatisierte Menschen an der Fortsetzung ihrer Flucht nach West-, Mittel- und Nordeuropa zu hindern .
Seit Wochen verhindert der bayerische Verfassungsschutz die Anstellung des Kommunikationswissenschaftlers Kerem Schamberger als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Grund dafür ist die fehlende 'Genehmigung' des Verfassungsschutzes für das LMU-Personaldezernat die Anstellung vorzunehmen. Seit Juli dieses Jahres bleibt der Geheimdienst eine „Stellungnahme“ schuldig.
Grundlage für das aktuell drohende Berufsverbot gegen unseren Genossen Kerem Schamberger sind die sogenannten 'Schwarzen Listen', die auszufüllen von allen BewerberInnen für den Öffentlichen Dienst in Sachsen und Bayern verlangt wird. Einer besonderen Überprüfung durch den Geheimdienst wird unterzogen, wer angibt, beispielsweise der 'Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes' (VVN/BdA), der Linkspartei oder der Roten Hilfe anzugehören. Diese Fragebögen wurden schon wiederholt von Grundrechtsorganisationen als grundrechtswidrige Pflicht zur Selbstdenunziation kritisiert.
Dass das aktuelle faktische Berufsverbot gegen den bekennenden Antifaschisten Kerem Schamberger ausgerechnet vom sogenannten 'Verfassungsschutz' zu verantworten ist, dessen Verstrickung in die Mordserie des NSU immer noch nicht aufgeklärt ist, verwundert kaum noch.
Seit nunmehr 4 Jahren wird eine Person vorgeladen, um Aussagen im Zusammenhang des K.O.M.I.T.E.E Verfahrens zu machen. Nach vielen polizeilichen Vorladungen folgte nun zum 18.10.2016 der zweite staatsanwaltliche Vernehmungstermin, dieses Mal direkt in Karlsruhe. Am Vorabend gab es ein Veranstaltung zum Thema und zur Forderung nach Aufhebung aller Haftbefehle im K.O.M.I.T.E.E Verfahren.
Zum Vernehmungstermin wurde die vorgeladene Person wie zuvor in Berlin von Unterstützer*innen begleitet. Es ergab sich zwischenzeitlich die absurde Situation, dass weder die vorgeladenen Person, die Anwältin noch die Müllabfuhr in die Sicherheitsschleuse eingelassen wurden. Die Türhüter fürchteten ein gewaltsames Eindringen in das Gebäude. Die Verhandlungen mit den angeforderten Polizeikräften führten zu einem Rückzug der Demonstrant*innen um 2 Meter. Bei der Vernehmung gab es keine Aussagen und deshalb die erneute Androhung von Beugehaft.
Anwältin und betroffene Person verließen das BAW Gebäude und fahren zurück nach Berlin. Der Termin einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht aus.
Mit der Kampagne „Jetzt schlägt‘s 13!“ will aktion./.arbeitsunrecht die Schattenseiten der deutschen Arbeitswelt beleuchten und öffentlichen Druck auf schikanöse UnternehmerInnen ausüben. In den Betrieben nimmt die Repression, gegen KollegInnen die versuchen die Arbeitsbedingungen zu verbessern, zunehmend zu. Inzwischen ist eine ganze Branche spezialisierter ArbeitsrechtlerInnen entstanden, die mittels Abmahnungen, Kündigungsversuchen, Bespitzelungen und übler Nachrede die Beschäftigten fertig machen sollen.
Ziel der Kampagne „Jetzt schlägt's 13!“ ist es, Beschäftigte, GewerkschafterInnen und Betriebsratsmitglieder zu unterstützen, die am Arbeitsplatz auf unzumutbare Weise unter Druck gesetzt werden. Auf der Website www.arbeitsunrecht.de können anonym Unternehmen nominiert werden, die sich durch fragwürdige Maßnahmen gegen Betriebsräte oder Gewerkschafter sowie extreme Ausbeutung, Lohnraub, Steuerflucht und andere sozialschädliche Praktiken hervor getan haben.
Am 18.10.2016, findet in Karlsruhe eine Zeugenvernehmung durch den Generalbundes-anwalt (GBA) statt. Anlass ist das Ermittlungsverfahren gegen die linke Gruppe „Das KOMITEE”, das der GBA unermüdlich und mit gesteigerter Energie seit mehr als 21 Jahren führt.
Die Gruppe hatte sich 1994 zu einem Brandanschlag auf eine Bundeswehreinrichtung in Bad Freienwalde und 1995 zu einem in der Vorbereitungsphase gescheiterten Bombenanschlag auf eine im Bau befindlichen Abschiebeknast in Berlin-Köpenick bekannt. Drei Personen aus der Berliner autonomen Szene waren seinerzeit untergetaucht und wurden seitdem als angeblich gefährliche Terroristen vom BKA weltweit gesucht.
Die Hartnäckigkeit, mit der der GBA in dieser Sache auch nach mehr als 21 Jahren noch weiter ermittelt, steht in keinem Verhältnis zu den verfolgten Taten, bei denen keine Menschen zu Schaden kamen und die nach Auffassung von Jurist*innen eigentlich mittlerweile wegen absoluter Verjährung nicht mehr bestraft werden können. Folgerichtig wurde auch die Auslieferung eines der drei Gesuchten, Bernhard Heidbreder, vom obersten Gerichtshof Venezuelas im Oktober 2015 abgelehnt. Heidbreder war im Juli 2014 in Venezuela festgenommen worden, befindet sich aber mittlerweile auf freiem Fuß.
Der Versuch, mit der Drohung von bis zu sechs Monaten Beugehaft eine Zeugenaussage von einer Person zu erzwingen, scheint vor diesem Hintergrund eher einer Bestrafung des sozialen Umfelds der seit damals Verfolgten zu dienen, als einer Sachaufklärung.
Drei Jahre und sechs Monate für kurdischen Politiker Ali Özel
Am heutigen Donnerstag, 13.10.2016, endete der 129b-Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Ali Özel wie zu erwarten mit einem mehrjährigen Urteil: das Oberlandesgericht Stuttgart verhängte eine Haftstrafe von 3 Jahren 6 Monaten - obwohl dem angeklagten Genossen keinerlei strafbare Handlungen zugerechnet werden können.Ali Özel wird vorgeworfen, als PKK-Gebietsleiter in verschiedenen Regionen der BRD tätig gewesen zu sein, zuletzt in Stuttgart und am Bodensee. Zu seinen Aufgaben hätten Spendensammlungen, der Vertrieb und Verkauf von Informationsmaterialien und Zeitungen, die Organisierung von Veranstaltungen sowie Treffen mit anderen AktivistInnen gehört.
Zu den im Urteil angeführten "Tatbeständen" zählen beispielsweise mehrere Durchsagen bei der gemeinschaftlichen Busanreise zu Demonstrationen, die Auflagen zu berücksichtigen und sich besonnen zu verhalten. Ebenfalls Erwähnung fanden Özels Bemühungen, für Jugendliche, die bei Kundgebungen festgenommen worden waren, umgehend einen Rechtsbeistand zu finden. Selbst sein Beistand für die Angehörigen der in Paris ermordeten Aktivistin Leyla Saylemez, denen er die Nachricht vom Tod überbrachte und die er zum Flughafen begleitete, um an der dortigen Trauerfeier teilzunehmen, wurde ihm zum Vorwurf gemacht.
Es war zu erwarten, dass es zu einer Verurteilung kommen würde. Während des gesamten Prozesses arbeitete das Gericht auf den Schuldspruch hin und lehnte ZeugInnen und Anträge der Verteidigung ab.
Rechtsanwalt Martin Heiming erklärte dazu: "In diesen Prozessen steht die Verurteilung schon im Vorfeld fest, nur das Strafmaß unterscheidet sich in Nuancen."
„Faires Verfahren“ endgültig verunmöglicht
Durch einen Antrag der Verteidigung des Hauptangeklagten Müslüm Elma wurde bekannt, dass die bayerische Justiz dem türkischen Staat offenbar ermöglicht hat, in mindestens einem Fall Einsicht in den Schriftverkehr zwischen Anwalt und Verteidiger zu nehmen. Ein sog. „Kontrollrichter“, der nicht dem erkennenden Senat des OLG München, sondern dem Amtsgericht Kempten angehört, liest sämtliche Korrespondenz seit dem Beginn des Verfahrens, was ohnehin schon als fragwürdige Praxis angesehen werden kann, sollte diese doch vertraulich sein. Da der Austausch in türkischer Sprache erfolgt, lässt der „Kontrollrichter“ sämtliche Briefe ins deutsche übersetzen, um sie lesen zu können, was eine Verzögerung von zwei bis vier Wochen zur Folge hat. Doch damit nicht genug wurde nun durch den Antrag bekannt, dass für die Übersetzung ein Büro in der Türkei engagiert wurde, dass noch nicht einmal eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen musste und sich nun weigert, die erstellten Kopien der vertraulichen Post zu vernichten.
Ebenso wurden die Schriftstücke per unverschlüsselter Email in die Türkei übersandt, also in ein Land, dass sich im Ausnahmezustand befindet, auf eine Diktatur zusteuert und einen sehr hohen Grad an Telekommunikationsüberwachung durch Polizei und Geheimdienst aufweist.
Um den 10. Oktober riefen zahlreiche linke Initiativen dazu auf, Gedenkveranstaltungen für die 100 getöteten AktivistInnen abzuhalten, die bei dem Anschlag auf eine Friedensdemonstration im Jahr davor ums Leben gekommen waren.
Zu den Veranstaltungen in Ankara war auch eine Delegation aus Berlin angereist, um gemeinsam mit dem Verein der Opfer und Angehörigen (10. Ekim-DER) am Gedenken teilzunehmen.
Bereits zwei Tage zuvor wurde bei der Anreise eine Delegationsteilnehmerin am Flughafen festgenommen und nach stundenlangen Verhören nach Deutschland abgeschoben.
Die darauffolgenden Tage waren von massiver Polizeirepression geprägt. Zahlreiche Kundgebungen und Demonstrationen in mehreren Städten wurden unter Einsatz von Knüppeln und Tränengas attackiert. In Ankara hatte der Gouverneur eine Versammlung am Hauptbahnhof untersagt und lediglich Familienangehörigen das Betreten des Tatortes gestattet, während weitere AktivistInnen gezielten Angriffen der Polizeikräfte ausgesetzt waren.
Nicht erst seit der Ausrufung des Ausnahmezustandes unternehmen staatliche Stellen alles in ihrer Macht stehende, um die Erinnerung an den größten Terroranschlag der letzten Jahrzehnte in der Türkei mit 100 Todesopfern und nahezu 500 Verletzten zu behindern und zu kriminalisieren.
Ebenso wie im Fall des Bombenanschlags von Suruc am 20. Juli 2015 sollen Opfer, Angehörige und soziale Bewegungen mit Gewalt davon abgehalten werden, öffentlich die politische Aufarbeitung der Geschehnisse und die Verurteilung der Verantwortlichen zu fordern, die mitunter in türkischen Regierungskreisen vermutet werden.
Die Rote Hilfe e.V. gedenkt den Opfern der Anschläge, solidarisiert sich mit den Forderungen der Angehörigen und verurteilt die systematische Polizeigewalt sowie die Verhaftungen während der Gedenkveranstaltungen.
Bundesvorstand Rote Hilfe e.V.