Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Aktion und Kunst im öffentlichen Raum.
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Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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„Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen.“ Mit diesen Worten erteilte das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) der Münchner Staatsanwaltschaft und dem Staatsschutz heute Vormittag eine Klatsche. Mit dieser Entscheidung im Revisionsverfahren endet vorerst die seit über drei Jahren andauernde Verfolgung derjenigen, die aus Solidarität öffentlich die Fahnen der kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ (Yekîneyên Parastina Gel / Yekîneyên Parastina Jin) zeigen.
Antirepressionskampagne der Roten Hilfe e. V.
2018 startete die Rote Hilfe e. V. eine Antirepressions-Kampagne mit dem Titel „Solidarität Sichtbar machen„.
Die Initiative war nötig, da zahllose Aktivist*innen in ganz Bayern willkürlich kriminalisiert wurden, nachdem sie Fahnen der YPG und YPJ auf die Straße trugen oder Bilder davon in den sozialen Netzwerken teilten. Spezialeinheiten der bayerischen Polizei stürmten Demonstrationen, brachen Wohnungstüren auf, beschlagnahmten Computer und Handys und verschickten Anklageschriften wegen des Zeigens verbotener Symbole. Mit der Kampagne schuf die Rote Hilfe Öffentlichkeit für die Thematik und konnte zahlreiche Betroffene finanziell unterstützen.
Die Rodung im Dannenröder Wald wurde mit einem massiven und brutalen Polizeieinsatz durchgesetzt. Im Verlauf der fünfwöchigen Räumung sorgte der Polizeieinsatz für mehrere Schwerverletzte und gefährdete Menschenleben durch durchgeschnittene Sicherungsseile und Rodungen in direkter Nähe zu Menschen. Am 15. November durchschnitt ein Polizeibeamter ein Sicherungsseil, so dass eine Frau mehr als vier Meter in die Tiefe stürzte. Knapp eine Woche später trampelte eine Polizeieinheit so lange auf einem Seil herum, bis eine Aktivistin aus sechs Metern abstürzte. Die Polizei verursachte weitere Abstürze, die dank der Eigensicherung der Aktivist*innen und viel Glück keine Schwerverletzten und Toten forderten. In dem Einsatz verwendete die Polizei auch Taser, deren Einsatz schon auf dem Boden lebensgefährlich, in großen Höhen aber unverantwortlich ist.
Bei der Räumung agierte die Polizei mit äußerster Brutalität. Bei der Räumung einer Blockade am 20. November wurde ein Aktivist bewusstlos geschlagen und schwer verletzt. Immer wieder verhinderte die Polizei den Zugang von Sanitäter*innen zu den Verletzten und erschwerte regelmäßig die Berichterstattung der Presse und die politische und zivilgesellschaftliche Beobachtung. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) spricht von 33 Fällen von Einschränkungen in der Pressearbeit und vier körperlichen Angriffen und Schlägen gegen Journalist*innen. Eine kirchliche Beobachterin wurde bei einem Polizeieinsatz so schwer verletzt, dass sie sich ins Krankenhaus begeben musste. Bei Minustemperaturen wurde darüber hinaus mehrmals ein Wasserwerfer gegen Aktivist*innen und Umstehende eingesetzt.
Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Pest und Cholera - das Virus und die Reaktion.
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Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
Das Amtsgericht Duisburg hat in einem Beschluss vom 13. November 2020 den Antrag der örtlichen Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz aus rechtlichen Gründen abgelehnt.
Einer Angeschuldigten hatte sie vorgeworfen, während einer Versammlung am 9. Oktober 2019 in Duisburg „für mehrere Minuten“ eine Fahne mit dem Symbol der kurdisch-nordsyrischen Volksverteidigungskräfte YPG geschwenkt zu haben. Zudem habe sie in unmittelbarer Nähe anderer Personen mit YPG-Fahnen „zwei Mal hintereinander“ die Parole „PKK“ gerufen, um auf diese Weise die Verbindung zwischen YPG und PKK herzustellen.
Anlass der Versammlung war der Einmarsch der Türkei in Syrien und hatte das Motto „Efrîn soll leben – Türkei raus aus Rojava“.
Ihr Verteidiger, Rechtsanwalt Yener Sözen, hatte in dem Verfahren vorgetragen, dass das Zeigen der YPG-Fahne erlaubt sei und das Skandieren der Parole „PKK“ keinen Verstoß gegen das Vereinsgesetz darstelle. Auch das Gericht vertrat die Auffassung, dass das der Angeschuldigten vorgeworfene Handeln keinen Straftatbestand erfülle. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn es sich bei der Fahne mit dem YPG-Symbol um das Kennzeichen eines verbotenen Vereins gehandelt hätte.
Die Verfahren im sog. Rondenbarg-Komplex sind nicht nur ein weiterer Höhepunkt in der massiven Repressionswelle gegen G20-Gegner*innen, die auch dreieinhalb Jahre nach dem Gipfel in Hamburg im Juli 2017 weiter ungebrochen ist. sondern mit insgesamt über 80 Angeklagten der größte Mammutprozess gegen Linke seit Jahrzehnten.
Am 3. Dezember 2020 beginnt nun der Pilotprozess gegen die fünf jüngsten Angeklagten, die bei den G20-Protesten noch minderjährig waren. Über viele Monate hinweg müssen die Heranwachsenden nun wöchentlich nach Hamburg zu ihren Prozessterminen pendeln, was eine ungeheure Belastung für die fünf Betroffenen darstellt. Die eigentlichen Ereignisse geben wahrlich keinen Anlass zu einem so aufgeblähten Prozess. Etwa 200 Demonstrant*innen, die auf dem Weg zu Blockadeaktionen waren, wurden am Morgen des 7. Juli 2017 in der Straße Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld ohne Vorwarnung von einer BFE-Einheit angegriffen.
Bei diesem brutalen Polizeieinsatz wurden zahlreiche Aktivist*innen verletzt, elf von ihnen so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten und bleibende Schäden davontrugen. Um die mediale und politische Debatte über diesen staatlichen Angriff, der auf Videos dokumentiert ist, in andere Bahnen zu lenken, setzte die Polizei von Anfang an auf massive Kriminalisierung der dort festgenommenen Gipfelgegner*innen, die tagelang in der Gefangenensammelstelle inhaftiert wurden. Der italienische Aktivist Fabio wurde sogar fünf Monate in Untersuchungshaft genommen und wegen seiner Beteiligung am Protestzug im Rondenbarg angeklagt – bis der Prozess im Februar 2018 platzte. Dennoch lässt die Hamburger Justiz in ihrem Verfolgungseifer nicht locker und richtet sich nun zunächst gegen die fünf jüngsten Aktivist*innen. Das juristische Konstrukt sieht nicht vor, individuelle strafbare Handlungen nachzuweisen oder den einzelnen Beschuldigten konkrete Straftaten zuzuordnen. Allein ihre Anwesenheit bei der Versammlung reiche aus, um ein gemeinsames Tathandeln zu unterstellen, was für eine Verurteilung ausreiche.
Straftaten einzelner Teilnehmer*innen könnten so allen vor Ort befindlichen Personen zugeschrieben werden. Sollte sich diese Rechtsauffassung durchsetzen, würde künftig jede Teilnahme an einer Demonstration ein enormes Kriminalisierungsrisiko bedeuten. Da die ursprünglich geplanten Großprozesse mit bis zu 19 Angeklagten sich als logistisch nicht durchführbar erwiesen, will das Landgericht Hamburg zunächst an diesen fünf Aktivist*innen exemplarisch die Beweisführung und Konstruktion der Vorwürfe durchexerzieren, die nach dem Willen der Staatsanwaltschaft auch in möglichen späteren Verfahren gegen ihre Genoss*innen angewandt werden sollen.
Die bewusste Auswahl der jüngsten Angeklagten hat für die Justiz den Vorteil, dass die unbequeme kritische Öffentlichkeit und solidarische Unterstützer*innen von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Doch Solidarität lässt sich nicht aussperren: mit einem dezentralen Aktionstag am 28. November trugen Tausende ihre Unterstützung für die fünf Aktivist*innen auf die Straße. Unter anderem in Berlin, Hamburg, München und Köln, aber auch in zahlreichen kleineren Städten wie Braunschweig, Freiburg, Heidelberg, Kiel, Marburg, Münster, Regensburg und Stuttgart fanden im Rahmen der Solidaritätskampagne „Gemeinschaftlicher Widerstand“ Kundgebungen und Demonstrationen statt, die den Angeklagten zeigen, dass sie nicht allein sind.In weiteren Städten gab es Transparentaktionen und Veranstaltungen zum Thema. Am 5. Dezember wird eine bundesweite Demonstration in Hamburg folgen.
Unter dem Titel „Die PKK ist keine terroristische Organisation“ ist eine Broschüre erschienen, die vom Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. und dem Verein für Demokratie und Internationales Recht e.V. (MAF-DAD) herausgegeben wurde.
In ihr setzen sich verschiedene Autoren schwerpunktmäßig mit dem Urteil des Kassationshofes in Brüssel vom 28. Januar dieses Jahres auseinander, in dem festgestellt wird, dass die PKK nicht als terroristische Organisation, sondern als eine bewaffnete Konfliktpartei gemäß dem internationalen Völkerrecht anzusehen ist. Aber auch die Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zur Streichung der PKK von der EU-Terrorliste werden angesprochen.
In ausgewählten Beiträgen wird der Themenkomplex sowohl aus juristischer, völkerrechtlicher als auch politischer Sicht ausführlich dargestellt.
Rechtsanwalt Jan Fermon aus Brüssel schildert in einem Interview mit dem „Kurdistan-Report“ den jahrelangen intensiven Rechtsstreit, den er als Verteidiger von zahlreichen kurdischen Politiker*innen und Medienschaffenden über Jahre geführt hat und der schließlich in der weitreichenden Entscheidung des Kassationsgerichts mündete.
Professor Dr. Norman Paech und Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune gehen in ihren Beiträgen ausführlich auf die völkerrechtlichen Aspekte des Brüsseler Urteils im Vergleich zur Rechtsprechung deutscher Gerichte ein.
Die Situation um die Rodung des Dannenröder Waldes eskaliert weiter. Am Samstagmorgen stürzte eine weitere Aktivistin während der Räumungsmaßnahmen der Polizei über fünf Meter in die Tiefe und wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Umstehende berichteten, dass Polizeikräfte das zugehörige Sicherungsseil zu Boden traten und so den Absturz verursachten. Bereits in den vergangenen Tagen gab es bei den Protesten im Dannenröder Wald mehrere Abstürze von Aktivist*innen, die durch das Vorgehen der Polizei verursacht wurden. Am vergangenen Sonntag durchschnitt ein Polizeibeamter ein Sicherungsseil, und an den darauffolgenden Tagen gefährdeten in direkter Nähe gefällte und herabfallende Bäume immer wieder Baumbesetzer*innen, was zu einem weiteren Fall aus mehreren Metern führte. Am vergangenen Freitag wurde ein Aktivist bei der Räumung einer Barrikade durch die Polizei bewusstlos geschlagen. Bei der Räumung einer Baumbesetzung setzte die Polizei am gleichen Tag in 25 Meter Höhe einen Elektroschocker (Taser) ein, dessen Nutzung in der Vergangenheit schon auf dem Boden Menschenleben gefährdet und gefordert hat.
Die Rote Hilfe kritisierte die Sonderhaftbedingungen für die im Zusammenhang mit Protesten gegen die Rodung des Dannenröder Walds inhaftierten Menschen bereits mehrfach. Trotz längst abgelaufener Corona-Quarantäne müssen die meisten von ihnen noch 23 Stunden täglich allein in Isolation verbringen. Auch Kontakte nach außen werden von der JVA systematisch verhindert, indem beispielsweise mitgeschickte Briefmarken nicht ausgehändigt werden. Zudem verwehrte die JVA über Wochen die Auszahlungen von Geld der Roten Hilfe e. V. für Einkäufe von Lebensmitteln, Briefmarken und anderen Waren im Gefängnis an die Gefangenen. Erst ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Mittwoch zwang die JVA, dieses Geld auszuzahlen.
In dieser Woche kam es zu mehreren schweren Verletzungen bei der Räumung des Dannenröder Wald. Seit zehn Tagen belagern tausende Polizeikräfte den Wald und gehen gewaltsam gegen die Protestierenden vor, um für den Ausbau der A 49 Bäume fällen zu können.
Am vergangenen Sonntag durchschnitt ein Polizeibeamter ein Sicherungsseil und verursacht so den Absturz einer Aktivistin von einem Tripod. Die Aktivistin wurde dabei schwer verletzt. Einen ganzen Tag bestritt die Polizei Mittelhessen zuvor jede Beteiligung an dem Absturz und berief sich auf „gesicherte Informationen“. Schon zuvor musste die Polizei bereits vielfach in den Medien verbreitete Informationen zurückziehen und richtigstellen. Trotz des polizeilich verbreiteten Mottos „Sicherheit vor Schnelligkeit“ stürzte bereits am Folgetag ein weiterer Aktivist durch die Fällung eines benachbarten Baumes in die Tiefe. Nur seine Eigensicherung verhinderte Schlimmeres. Genaues zum Gesundheitszustand des Aktivisten ist unbekannt, da die Polizei keine Sanitäter zu ihm durchließ.
Wir dokumentieren die Erklärung der im "Parkbank-Verfahren" verurteilten Aktivist*innen
Zum Verlauf des Verfahrens und den Ermittlungen wird es sicher an anderer Stelle und zu späterem Zeitpunkt mehr geben. Zunächst wollen wir hier Dankbarkeit und Verbundenheit ausdrücken und einige Worte zum Urteil und dem vorläufigen Ende dieser Odyssee verlieren. Aus der Haft wurde sich zwar schon zu verschiedenen Anlässen und Gelegenheiten öffentlich geäußert, aber zur Anklage und zum Spektakel der Verhandlung eben bis zuletzt nicht. Dies hat auch mit der weitgehenden Verweigerung der Partizipation der uns aufgezwungenen Rolle als Angeklagte zu tun. Aber eben jene Haltung schien und scheint uns der beste Weg, in so einer Situation Würde und Integrität zu wahren. Als Anarchist*innen lehnen wir Gerichte grundsätzlich ab. Sie sind Institutionen der Durchsetzung von Herrschaft. Das Schweigen in diesem Prozess ist uns nicht immer leicht gefallen angesichts der arroganten, zynischen Frechheiten, mit denen wir das ganze Verfahren über konfrontiert waren. Uns ist allerdings wichtig darauf hinzuweisen, dass wir es hier keineswegs mit aus dem Rahmen fallenden Tabubrüchen zu tun haben. U-Haft als Maßnahme zur Kooperationserpressung, Durchwinken illegaler Ermittlungsmaßnahmen … ganz normaler Alltag im Justizsystem.
Am Samstag, den 5. Dezember wird es, im Zuge des beginnenden Rondenbarg-Prozesses ergänzend zum Aktionstag am 28. November, eine bundesweite Soli-Demo in Hamburg geben. Es geht um ein klares Zeichen gegen Vereinzelung und Passivität für eine praktische und kollektive Solidarität – das muss heißen nicht nur über Stadtgrenzen hinweg zusammenzustehen, sondern auch in gemeinsamer Aktion auf der Straße! Es ist höchste Zeit!