Am Montag, den 24. Oktober 2005 möchte eine junge Frau aus Hannover ihre Krankheit auskurieren und ausschlafen. Aber um 9.30 Uhr wird die Schülerin vom Telefon aus dem Schlaf geklingelt. Da das Telefon schon einmal geläutet hat geht sie diesmal dran – verschlafen und mit dickem Kopf – und es entwickelt sich ein ’spannender‘ Dialog. Eine freundliche weibliche Stimme stellt sich kurz vor als Mitarbeiterin des Innenministeriums Abteilung Sicherheit, rasselt dazu einen schnellen Gruß herunter und kommt dann gleich zur Sache:
„Wir haben einen Job für Sie. Wir wissen, im zweiten Ausbildungsjahr zur Erzieherin verdient man ja nicht viel, da kommt ihnen das doch sicher gelegen.
Kommen sie am Besten bei uns vorbei und alles Weitere können wir dann persönlich besprechen.“
Etwas perplex fragt die junge Frau nach: „Was soll das denn sein für ein Job??“
„Können sie nicht besser mal bei uns vorbei kommen, das können wir doch viel besser direkt besprechen…“
Aber das will die junge Frau schon mal gar nicht. Die Frau am anderen Ende der Leitung muß nachlegen:
„Also, wir hätten gerne Informationen über Gruppen in Hannover, speziell über die Antifa.“
„Aber ich bin doch gar nicht in der Antifa?“
„Kein Problem, da kriegen wir sie rein.“
„Und wie soll das dann aussehen?“
„Na, sie können an Demonstrationen teilnehmen, wie bisher, und danach könnten sie uns die Zusammenhänge erklären.“
Jetzt reicht es der jungen Frau. Nur eine Frage hat sie doch noch:
„Sagen sie mal, wie kommen sie überhaupt auf mich?“
„Sie haben doch an Aktionen gegen den Castor teilgenommen – daher wissen wir von ihnen.“
Nun will sie endgültig das Gespräch abbrechen, das Gegenüber am Telefon drängelt aber um so doller, desto genervter die junge Frau ist. Mehrmals noch wird auf die finanziellen Vorteile hingewiesen, und es wäre bestimmt kein Problem, sich mal zu treffen, und sie könne auch gleich vorbeikommen. Das nützt nix. Die junge Frau ist jetzt wach und damit entschiedener. Zum Schluß bleibt nur noch ein „Überlegen sie sich das doch noch einmal.“ Dann ist das Gespräch beendet.
Die junge Frau vermutet, daß sie den Behörden bekannt ist, weil sie einmal im Wendland ihre Personalien abgeben musste. Unklar bleibt, wie diese dann den Weg zum Innenministerium gefunden haben. Oder aber das Innenministerium hat eigene Nachforschungen angestellt…
Sei es wie es sei:
Es zeigt sich, daß jede und jeder politisch Aktive, ob am Rande oder im Zentrum von linken Zusammenhängen Anzutreffende, damit rechnen muss angequatscht zu werden. Die Kriterien dafür, wer angequatscht wird, sind sicher nicht zufällig, aber nur für die jeweiligen „Dienste“ deutlich.
Das Ziel ist es, Menschen aus politischen Zusammenhängen zu observieren, zu belauschen und Daten zu sammeln um sie dann mit Prozessen (z.B. mit Hilfe der §§ 129, 129a StGB) einzudecken und dadurch die politische Arbeit zu zerschlagen. Dazu sind diese Beamten und Beamtinnen ausgebildet, geschult, bestellt und bezahlt.
Sie werden bezahlt dafür, in die persönlichsten Räume einzudringen, um Ansatzpunkte zu finden, Haltungen, Meinungen und Aktionen zu kriminalisieren.
Diese Vorgehensweise des Landesamtes für Verfassungsschutz ist nicht hinnehmbar.
Die traditionsreiche Praxis der Bekämpfung linker und sozialer Bewegungen mit Geheimdienstmethoden muss ein für allemal ein Ende finden. Wir verbitten uns im Namen aller linken Aktivistinnen und Aktivisten Hannovers derartige Zudringlichkeiten der niedersächsischen Repressions- und Spitzelbehörden. Die Ausspitzelung unserer Freundinnen und Freunde ist mit den Lippenbekenntnissen der Regierenden zu Meinungs-, Vereinigungs- und Gewissensfreiheit unvereinbar.
Der Vorfall reiht sich ein in eine Kette von Versuchen, die Hannoveraner Linke zu demoralisieren. Wir erinnern nur an die Beamtin, die – versehen mit dem Namen Kirsti Weiß – jahrelang unter rechtlich zweifelhaften Zuständen die Linke in Hannover ausgespäht hat.
Die Ortsgruppe Hannover der Roten Hilfe e.V. und der Ermittlungsausschuss (EA) Hannover protestieren entschieden gegen die Anwerbeversuche der Geheimdienste.
Falls weitere Menschen von derart ungewünschten Besuchen betroffen sind, gibt die Rote Hilfe folgende Tipps:
Anquatschversuche finden meistens dann statt, wenn mensch nicht damit rechnet.
All zu leicht passiert es dann, dass im Moment der Überrumpelung Dinge gesagt werden, die besser nicht gesagt hätten werden sollen. Denn mit diesen Beamten und Beamtinnen gibt’s gar nix zu bereden.
Die einzig richtige Reaktion auf Anwerbeversuche kann nur das sofortige Ablehnen jedes Gesprächs sein. Jede noch so lapidar erscheinende Äußerung kann für Polizei wie für Geheimdienste ein wichtiger Baustein in ihrem Bild von politischen und persönlichen Zusammenhängen sein. Nicht selten werden daraus sogar abenteuerliche Anklagenkonstruktionen gegen Einzelne oder Gruppen.
Immer gilt:
- Euch von staatlicher Repression Betroffene trifft keine „Schuld“, Ihr habt nichts „falsch“ gemacht; Ihr seid nicht mit den „falschen“ Leuten zusammen gekommen; ihr seid aus den unterschiedlichsten Gründen vom staatlichen Repressionsapparat „ausgewählt“ worden.
- Beamte und Beamtinnen des Verfassungsschutzes haben keinerlei Befugnisse, eine Aussage oder Mitarbeit zu verlangen; sie haben keine Macht, juristischen oder sonstigen Druck auf Dich auszuüben (auch wenn sie in Extremfällen damit drohen und es in Extremfällen auch tatsächlich hinkriegen); deshalb verweist mensch sie am Besten gleich des Hauses.
- Erzählt von dem „Anquatschversuch“ am Besten sofort der „Roten Hilfe e. V.“ oder dem EA und erklärt euch einverstanden, diesen Vorgang zu veröffentlichen, denn nichts ist dem Verfassungsschutz unliebsamer, als eine Öffentlichkeit, die seine Arbeit kritisch wahrnimmt und ans Tageslicht befördert. Je mehr Leute davon erfahren, desto besser, denn der Verfassungsschutz oder andere Geheimdienste wollen möglichst unerkannt im Dunkeln agieren: weil sonst sind’s ja keine Geheimdienste mehr!
- Bei den Beamten und Beamtinnen handelt es sich immer um geschultes, professionell ausgebildetes Personal, das euch in jeder Hinsicht immer um mehrere Schritte voraus ist. Zu denken, ihnen bei einem Gespräch etwas „vorspielen“, sie auf falsche Fährten locken zu können, ist fatal.
- Wenn Verfassungsschützer oder andere „Geheime“ euch anquatschen: legt den Hörer einfach auf, schickt sie weg, werft sie raus, haut ihnen die Tür vor der Nase zu, zur Not – geht selber weg. Macht anwesende Freunde und Freundinnen, Bekannte und Verwandte aufmerksam.
Lasst euch nicht einschüchtern. Haltet eure Augen und Ohren auf, aber den Mund in gewissen Momenten geschlossen. - Lasst euch nicht einschüchtern. Neben der Abschöpfung von Informationen geht es auch darum, Unruhe zu stiften. Es geht auch darum, zu verunsichern. Macht denen einen Strich durch ihre Rechnung!
Keine Unterhaltungen mit dem Verfassungsschutz!
Macht jeden Anquatschversuch öffentlich!
Für die Abschaffung der Geheimdienste!