Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Politische Justiz.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Die Situation um die Rodung des Dannenröder Waldes eskaliert weiter. Am Samstagmorgen stürzte eine weitere Aktivistin während der Räumungsmaßnahmen der Polizei über fünf Meter in die Tiefe und wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Umstehende berichteten, dass Polizeikräfte das zugehörige Sicherungsseil zu Boden traten und so den Absturz verursachten. Bereits in den vergangenen Tagen gab es bei den Protesten im Dannenröder Wald mehrere Abstürze von Aktivist*innen, die durch das Vorgehen der Polizei verursacht wurden. Am vergangenen Sonntag durchschnitt ein Polizeibeamter ein Sicherungsseil, und an den darauffolgenden Tagen gefährdeten in direkter Nähe gefällte und herabfallende Bäume immer wieder Baumbesetzer*innen, was zu einem weiteren Fall aus mehreren Metern führte. Am vergangenen Freitag wurde ein Aktivist bei der Räumung einer Barrikade durch die Polizei bewusstlos geschlagen. Bei der Räumung einer Baumbesetzung setzte die Polizei am gleichen Tag in 25 Meter Höhe einen Elektroschocker (Taser) ein, dessen Nutzung in der Vergangenheit schon auf dem Boden Menschenleben gefährdet und gefordert hat.
Die Rote Hilfe kritisierte die Sonderhaftbedingungen für die im Zusammenhang mit Protesten gegen die Rodung des Dannenröder Walds inhaftierten Menschen bereits mehrfach. Trotz längst abgelaufener Corona-Quarantäne müssen die meisten von ihnen noch 23 Stunden täglich allein in Isolation verbringen. Auch Kontakte nach außen werden von der JVA systematisch verhindert, indem beispielsweise mitgeschickte Briefmarken nicht ausgehändigt werden. Zudem verwehrte die JVA über Wochen die Auszahlungen von Geld der Roten Hilfe e. V. für Einkäufe von Lebensmitteln, Briefmarken und anderen Waren im Gefängnis an die Gefangenen. Erst ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Mittwoch zwang die JVA, dieses Geld auszuzahlen.
In dieser Woche kam es zu mehreren schweren Verletzungen bei der Räumung des Dannenröder Wald. Seit zehn Tagen belagern tausende Polizeikräfte den Wald und gehen gewaltsam gegen die Protestierenden vor, um für den Ausbau der A 49 Bäume fällen zu können.
Am vergangenen Sonntag durchschnitt ein Polizeibeamter ein Sicherungsseil und verursacht so den Absturz einer Aktivistin von einem Tripod. Die Aktivistin wurde dabei schwer verletzt. Einen ganzen Tag bestritt die Polizei Mittelhessen zuvor jede Beteiligung an dem Absturz und berief sich auf „gesicherte Informationen“. Schon zuvor musste die Polizei bereits vielfach in den Medien verbreitete Informationen zurückziehen und richtigstellen. Trotz des polizeilich verbreiteten Mottos „Sicherheit vor Schnelligkeit“ stürzte bereits am Folgetag ein weiterer Aktivist durch die Fällung eines benachbarten Baumes in die Tiefe. Nur seine Eigensicherung verhinderte Schlimmeres. Genaues zum Gesundheitszustand des Aktivisten ist unbekannt, da die Polizei keine Sanitäter zu ihm durchließ.
Wir dokumentieren die Erklärung der im "Parkbank-Verfahren" verurteilten Aktivist*innen
Zum Verlauf des Verfahrens und den Ermittlungen wird es sicher an anderer Stelle und zu späterem Zeitpunkt mehr geben. Zunächst wollen wir hier Dankbarkeit und Verbundenheit ausdrücken und einige Worte zum Urteil und dem vorläufigen Ende dieser Odyssee verlieren. Aus der Haft wurde sich zwar schon zu verschiedenen Anlässen und Gelegenheiten öffentlich geäußert, aber zur Anklage und zum Spektakel der Verhandlung eben bis zuletzt nicht. Dies hat auch mit der weitgehenden Verweigerung der Partizipation der uns aufgezwungenen Rolle als Angeklagte zu tun. Aber eben jene Haltung schien und scheint uns der beste Weg, in so einer Situation Würde und Integrität zu wahren. Als Anarchist*innen lehnen wir Gerichte grundsätzlich ab. Sie sind Institutionen der Durchsetzung von Herrschaft. Das Schweigen in diesem Prozess ist uns nicht immer leicht gefallen angesichts der arroganten, zynischen Frechheiten, mit denen wir das ganze Verfahren über konfrontiert waren. Uns ist allerdings wichtig darauf hinzuweisen, dass wir es hier keineswegs mit aus dem Rahmen fallenden Tabubrüchen zu tun haben. U-Haft als Maßnahme zur Kooperationserpressung, Durchwinken illegaler Ermittlungsmaßnahmen … ganz normaler Alltag im Justizsystem.
Am Samstag, den 5. Dezember wird es, im Zuge des beginnenden Rondenbarg-Prozesses ergänzend zum Aktionstag am 28. November, eine bundesweite Soli-Demo in Hamburg geben. Es geht um ein klares Zeichen gegen Vereinzelung und Passivität für eine praktische und kollektive Solidarität – das muss heißen nicht nur über Stadtgrenzen hinweg zusammenzustehen, sondern auch in gemeinsamer Aktion auf der Straße! Es ist höchste Zeit!
In Isolation, unter Schlafentzug und ohne Geld müssen sieben Gefangene, die die Herausgabe ihrer Personalien verweigern, seit zwei Wochen in Untersuchungshaft in der JVA Frankfurt verbringen. Sie beteiligten sich aus Protest gegen die Abholzung von Wälderndes Dannenröder Forsts für den Ausbau der A 49 Ende Oktober an einer Abseilaktion an drei Autobahnbrücken im Rhein-Main-Gebiet. Die Rote Hilfe kritisiert die Untersuchungshaft als „völlig unverhältnismäßig und politisch motiviert“. „Die Verhängung einer Untersuchungshaft für den Vorwurf einer einfachen Nötigung haben wir noch nicht erlebt. Für uns ist das nur aus politischen Gründen zu erklären. Politik und Justiz wollen mit der Kulisse drakonischer Strafen andere vom Protest gegen die Rodung des Dannenröder Forsts abhalten“, urteilt Anja Sommerfeld, Sprecherin des Bundesvorstands der Roten Hilfe e.V.
Am vergangenen Donnerstag, den 05. November, fanden in Leipzig mehrere Hausdurchsuchungen gegen vermeintliche Antifaschist*innen statt, die von der Generalbundesanwaltschaft angeordnet wurde. Hierbei wurde Lina verhaftet und in Untersuchungshaft genommen.
Den Beschuldigten wird vorgeworfen an mehreren Angriffen auf Faschisten beteiligt gewesen zu ein, oder sie geplant und vorbereitet zu haben. Zusätzlich wird ihnen vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB gegründet zu haben, deren Ziel es sein soll “Angriffe gegen Personen der rechten Szene durchzuführen”.
Am 06.11 bestätigte der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen Lina. In einer Pressemitteilung
bezichtigt der Generalbundesanwalt sie der taktischen Kommandoführung sowie eine “herausgehobenen Stellung” innerhalb jener Vereinigung eingenommen zu haben. In der bisherigen Berichterstattung wird sie dadurch zur “Anführerin” erklärt.
In Kürze beginnt das Pilotverfahren gegen fünf junge Aktivist*innen aus Stuttgart, Mannheim, Bonn/Köln und Halle im so genannten Rondenbarg-Komplex, einer Serie mehrerer Verfahren gegen insgesamt über 85 Angeklagte, denen gemeinschaftlicher schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamt*innen, Sachbeschädigung und Bildung bewaffneter Gruppen im Rahmen einer Demonstration gegen den G20-Gipfel vorgeworfen wird. Dazu veröffentlicht die Rote Hilfe e. V. eine Sonderseite, um den am 3. Dezember 2020 beginnenden Pilotprozess und auch die eventuell folgenden Prozesse öffentlich zu begleiten.
Die Internetseite www.rondenbarg-prozess.rote-hilfe.de wird in den kommenden Monaten (und so lange wie nötig) Termine, Prozessberichte & Stellungnahmen verschiedener in den Prozess eingebundener Akteur*innen veröffentlichen, einen Pressespiegel führen, zu Spenden und Solidarität aufrufen und entsprechendes Material bereitstellen. Die Seite soll so bereits bestehende Solidaritätsinitiativen wie die Seite der Kampagne „Gemeinschaftlicher Widerstand“ (www.gemeinschaftlich.noblogs.org) ergänzen, auf der zum Beispiel eine von über 100 Organisationen getragene Solidaritätserklärung veröffentlicht wurde, bundesweit zu Aktionen am Wochenende vor Prozessbeginn aufgerufen wird sowie weitere Aufrufe und Berichte von Aktionen veröffentlicht wurden.
Was bei der Bevölkerung unpopulär ist, durch Berufung auf Brüssel einführen: Dieser Trick, bekannt von der ersten Durchsetzung der Vorratsdatenspeicherung 2007, war bei der am heutigen Donnerstag spätabends vom Bundestag beschlossenen Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken für alle Bürger*innen wieder zu bewundern. Dabei fällt es fast schwer, die Empörung aufzubringen, die gegen diesen bürger*innenrechtlichen Dammbruch eigentlich angebracht wäre, denn mit EURODAC und VIS setzt die EU Daktyloskopie schon seit Jahren gegen Menschen ohne passende Staatsbürgerschaft ein. Dass dies nun auf die eigenen Bürger*innen zurückfällt, könnte geradezu als Fluch der Gleichgültigkeit angesehen werden.
Dennoch: Hier findet der nächste Schritt zur Umkehrung der Beweislast statt. Wir alle hinterlassen überall Fingerabdrücke. Wird ein Fingerabdruck am falschen Ort gefunden – beispielsweise an einem ohne Genehmigung geklebten Plakat oder einem Stück Klebeband an einem kritischen Transparent vor einem Parteibüro – *und kann zugeordnet werden*, werden sich die fraglichen Personen dem vollen Spektrum polizeilicher Maßnahmen von Vorladung über Hausdurchsuchung bis Gewahrsamnahme oder Untersuchungshaft ausgesetzt sehen. Die beschlossenen Maßnahmen reichen dafür noch bei weitem nicht. Doch, die Geschichte wiederholt sich: Die biometrischen Ausweisfotos, die anfangs, wie jetzt die Fingerabdrücke, auch nur zur Authentifikation der Ausweise dienen sollten, sind mittlerweile im Online-Zugriff der Behörden und werden eingestandenermaßen in gesichtserkennenden Kameras eingesetzt. Wie viele kleine Krisen werden die Behörden brauchen, um nach und nach die Beschränkungen der Nutzung der nun bevölkerungsweit erfassten Fingerabdrücke abzubauen?
Am heutigen Donnerstag, 5. November 2020 ging der Prozess gegen die „3 von der Parkbank“ zu Ende. Das Hamburger Landgericht sprach die drei linken Aktivist*innen der Verabredung zur Brandstiftung für schuldig und verhängte Strafen von 22, 20 und 19 Monaten Haft. Den Vorwurf der Verabredung zur schweren Brandstiftung hatte das Gericht schon im Laufe des Prozesses als nicht haltbar anerkannt.
Die Haftbefehle wurden aufgehoben, sodass nun alle Angeklagten vorerst aus der Haft entlassen wurden.
Vorausgegangen waren ein zehnmonatiger offensichtlich politischer Prozess mit rund 50 Verhandlungstagen und die eineinhalbjährige Untersuchungshaft gegen zwei der drei angeklagten Genoss*innen. Sie waren im Juli 2019 in einem Hamburger Park verhaftet worden und wegen vier kleinen PET-Flaschen mit brennbarer Flüssigkeit, Grillanzündern und einer Liste von Adressen, die bei ihnen gefunden wurden, der Planung von Brandstiftungen beschuldigt worden. Die Inhaftierung und gerichtliche Verfolgung der Aktivist*innen war von Anfang an von solidarischen Unterstützer*innen begleitet worden, die sich auch während der Urteilsverkündung zu einer Kundgebung vor dem Gericht versammelt hatten.
Am Donnerstag, 5. November 2020 wird das Landgericht Hamburg nach zehn Monaten Verhandlung mit rund 50 Prozesstagen das Urteil gegen die „Drei von der Parkbank“ verkünden. Den drei linken Aktivist*innen, von denen zwei seit Juli 2019 in Untersuchungshaft sitzen, wird vorgeworfen, sich zu einer schweren und drei einfachen gemeinschaftlichen Brandstiftungen verabredet zu haben. In ihrem Plädoyer hat die Generalstaatsanwaltschaft Haftstrafen von dreieinhalb Jahren gegen einen der Angeklagten und von drei Jahren gegen seine beiden Genoss*innen gefordert.
Die drei Beschuldigten waren in der Nacht zum 8. Juli 2019 in einem Hamburger Park festgenommen worden, nachdem sie offenbar zuvor polizeilich observiert worden waren. Aus Indizien konstruierten die Repressionsorgane die Planung von mehreren Brandstiftungen und inszenierten einen grotesken Mammutprozess, der in keiner Weise mit den dürftigen Vorwürfen zu rechtfertigen ist. Gegen eine der drei Betroffenen wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, während die beiden übrigen seit über einem Jahr im Gefängnis Holstenglacis festgehalten werden.