Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Türkei/Kurdistan.
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Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Am heutigen Freitag, 1. April 2022, fand der Berufungsprozess gegen „Ella“ am elften Verhandlungstag sein befürchtetes Ende: Indem das Landgericht Gießen eine Haftstrafe von 21 Monaten verhängte, hält es weiterhin an seiner Verfolgungswut gegen die Klimaaktivistin fest.
Zwar ist die Haftdauer niedriger als in der ersten Instanz, die ein Urteil über 27 Monate Gefängnis ausgesprochen hatte, aber die Beweise sind in der Berufungsverhandlung wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Angesichts des eindeutigen Videomaterials mussten die polizeilichen Hauptbelastungszeugen einräumen, in ihren Aussagen gelogen zu haben; sie waren nachweislich zu keinem Zeitpunkt gefährdet, wie sie zuvor behauptet hatten. Der konkrete Vorwurf gegen „Ella“, die weiterhin ihren Namen den Repressionsorganen nicht preisgibt, besteht in einer abwehrenden Beinbewegung, die sie bei der Räumung der Baumdörfer im Dannenröder Wald im November 2020 in Richtung eines SEK-Beamten gemacht haben soll. Dieser packte die Waldbesetzerin in 15 Metern Höhe am Bein und versuchte, sie in die Tiefe zu ziehen. Dabei schlugen die Beamten Ella mit Fäusten und einem Metallschloss. Obwohl die Beinbewegung hingegen keinen Beamten berührte, dient sie als Vorwand, um die Aktivistin seit nunmehr fast eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft zu halten. Selbst nachdem die SEK-Beamten ihre Falschaussagen eingestanden hatten, verweigerte der Richter eine Haftprüfung.
Nach zehn Verhandlungstagen wird das Landgericht Gießen am Freitag voraussichtlich das Urteil im Fall der Umweltaktivistin Ella sprechen. Die von der Justiz als unbekannte weibliche Person 1 geführte Klimaaktivistin wurde in erster Instanz vom Amtsgericht Alsfeld wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Polizeikräfte zu 27 Monaten Haft verurteilt. Obwohl sich die Vorwürfe gegen Ella im Lauf der Berufungsverhandlung in wesentlichen Punkten als unhaltbar erwiesen, forderte die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche in ihrem Plädoyer eine höhere Gesamtstrafe von 28 Monaten. Die Taten seien „ein Angriff auf den Rechtsstaat“, begann die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer.
Ella soll sich im November 2020 in 15 Meter Höhe auf einem Baum im Dannenröder Wald gegen ihre Festnahme gewehrt haben. Im Herbst 2020 ging die Polizei mit einem Großaufgebot wochenlang gegen Aktivist*innen vor, die in den Baumwipfeln Baumhäuser errichteten, um die Rodung des Waldstücks für eine Autobahn zu verhindern. Am 26. November 2020 bewegte Ella sich auf einem Baum, als eine SEK-Einheit sie in die Tiefe ziehen wollte. Staatsanwaltschaft und Amtsgericht bewerteten eine Bewegung Ellas als Tritt in Richtung der Polizeibeamten. Obwohl die lückenlosen Videoaufnahmen keine Berührung eines Polizisten zeigen, glaubte das Amtsgericht einem Beamten, der von Ellas Knie getroffen worden sein will.
Doch in der Berufungsverhandlung wollten weder dieser noch ein anderer SEK-Beamter diese Aussagen aufrechterhalten. Sie hätten sich wohl geirrt, versuchten sie ihre Lügen in ihrer erneuten Vernehmung zu rechtfertigen. Vielmehr erwies sich in der Berufungsverhandlung, dass die auf dem Baum flüchtende Ella von den SEK-Beamten mehrere Faustschläge und Hiebe mit einem Metallschloss erhielt. Die unten stehenden Polizeibeamten kommentierten die Schläge mit „das hat sie verdient“, dokumentieren die Videoaufnahmen. Trotz der langen Untersuchungshaft und der in sich zusammenfallenden vermeintlichen Beweise weigerte sich das Gericht, eine vorzeitige Haftentlassung von Ella anzuordnen.
Für Anja Sommerfeld aus dem Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. ist die harte Verfolgung von Ella nur mit politischen Gründen zu erklären. „Die Staatsanwaltschaft versucht allen Ernstes, den Protest gegen die Rodung von Bäumen mitten in der Klimakrise als Angriff auf den Rechtsstaat umzudeuten. Von Beginn an versuchten die Sicherheitsbehörden, vom lebensgefährlichen Polizeieinsatz im Dannenröder Wald abzulenken. Wie der Prozess gegen Ella zeigte, gingen die Polizeikräfte mit massiver Gewalt vor, um die unangenehmen Bilder schnell wieder verschwinden zu lassen. Besonders die in der Landesregierung vertretenen Grünen wollten die Rodung von Bäumen für eine Autobahn schnell vergessen machen, Es galt auch danach, Ella und andere Klimaaktivist*innen umso härter zu verfolgen. Ella sitzt seit fast 1 ½ Jahren in Haft. Auf dem Rücken von Ella soll die gesamte Klimabewegung eingeschüchtert und von weiteren Protesten abgehalten werden.“
Sommerfeld ruft zu Solidarität mit Ella und allen anderen Gefangenen der Klimabewegung und anderer sozialer Kämpfe auf. „Statt mit aller Konsequenz gegen die Erderwärmung vorzugehen, kämpft der Staat mit voller Härte gegen die, die sich den Ursachen der Klimakrise in den Weg stellen. Wir fordern die sofortige Freilassung von Ella. Als Rote Hilfe sind wir solidarisch mit allen, die wegen ihrer politischen Betätigung vom Staat verfolgt werden.“
Am heutigen 22. März kam es in den frühen Morgenstunden zu fünf Hausdurchsuchungen bei linken Aktivist*innen in Stuttgart, Tübingen und Villingen-Schwenningen.
Die Polizeieinheiten traten während des Einsatzes an mehreren Stellen martialisch auf. Straßen rund um die durchsuchten Gebäude wurden gesperrt und Türen im Linken Zentrum Lilo Herrmann in Stuttgart mit Rammböcken aufgebrochen.
Als Vorwände für diese Repressionsmaßnahmen gegen die linke Bewegung in Baden-Württemberg dienen in diesem Fall zwei unterschiedliche Ereignisse von 2020.
Zum einen soll es um eine angebliche Beteiligung an der „Stuttgarter Krawallnacht“ gehen.
Dort war es im Zuge der repressiven Polizeikontrolle einer Person in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni in der Innenstadt zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei gekommen.
Weitere Durchsuchungsbeschlüsse beziehen sich auf eine antifaschistische Demonstration gegen einen stadtbekannten Neonazi in Konstanz im Oktober des vorvergangenen Jahres. Bei der Outing-Aktion soll es angeblich zu Straftaten gekommen sein.
Hierzu erklärt Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.:
„Die Repression gegen linke Strukturen im Süden geht unvermindert weiter. Den Repressionsbehörden in Baden-Württemberg ist offensichtlich jedes Mittel recht, um gegen linke Aktivist*innen vorzugehen. Die Rote Hilfe e.V. verurteilt diesen neuerlichen Angriff als staatlichen Einschüchterungsversuch und solidarisiert sich mit den Betroffenen.“
Wieder steht in Stuttgart ein linker Aktivist vor Gericht. Vor dem Landgericht Stuttgart versucht die baden-württembergische Justiz ab dem 25. März im Verfahren gegen Chris eine mehrjährige Haftstrafe zu erreichen und sein politisches Engagement zu kriminalisieren.
Bereits in der ersten Instanz am 28. Juli 2020 hatte das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt den Aktivisten wegen Landfriedensbruchs zu acht Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt, weil er sich am Silvesterspaziergang an der JVA Stammheim 2018 beteiligt hatte. Konkret vorgeworfen wurde ihm, maßgeblich die Abläufe der Versammlung koordiniert zu haben.
Zusätzlich laufen gegen Chris noch weitere Verfahren, so dass mit großer Sicherheit eine Haftstrafe droht: ihm wird vorgeworfen, am 20. Februar 2020 an einer antifaschistischen Spontandemonstration anlässlich des rassistischen Terroranschlags in Hanau teilgenommen zu haben. Zudem soll er laut Anklage an einer Auseinandersetzung mit Nazis der „Identitären Bewegung“ am Rand einer „Querdenken“-Kundgebung im Mai 2020 beteiligt gewesen sein.
Gleichzeitig ist Chris bereits im Kontext der Besetzung von Wohnungen in der Wilhelm-Raabe-Straße 2018 auf Bewährung gewesen und schon in früheren Jahren war Chris wiederholt ins Fadenkreuz der staatlichen Repressionsorgane geraten, saß 2011 mehrere Monate in Untersuchungshaft und wurde immer wieder mit Verfahren überzogen. Mit dem jetzigen Prozess und der drohenden Haftstrafe will die Stuttgarter Justiz einen Aktivisten und Kommunisten einschüchtern und mundtot machen – eine Strategie, die in der baden-württembergischen Landeshauptstadt zum erschreckenden Alltag gehört. Regelmäßig werden die linke und insbesondere die antifaschistische Bewegung in Stuttgart mit Ermittlungsverfahren und anderen Repressalien überzogen, und die Justiz schreckt auch vor Haftstrafen nicht zurück: Derzeit sitzen mit Dy und Findus zwei Stuttgarter Antifas in Haft, und Jo wurde zu einer viereinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt.
Liebe Genoss*innen,
der Tag der politischen Gefangenen am 18. März erinnert an die Pariser Kommune von 1871 – ein Leuchtfeuer in der Geschichte revolutionärer Erhebungen, zugleich aber auch ein Höhepunkt blutiger staatlicher Repression, der sich in die kollektive Erinnerung linker Bewegungen eingebrannt hat: Beispiellos waren die Massaker an Zehntausenden Kommunard*innen, mit denen die Reaktion Vergeltung übte, beispiellos waren die unzähligen Haftstrafen gegen die Aufständischen. Das Datum, das an die Errungenschaften der Pariser Kommune erinnerte, wurde so auch zum Tag der politischen Gefangenen und verbindet damit die Kämpfe und die Solidarität, die all jenen gilt, die der Staat stellvertretend herausgreift.
Wir kommen in diesen Tagen bei zahllosen Veranstaltungen und Aktionen zusammen, um die Freilassung der politischen Gefangenen zu fordern – hier und weltweit.
Unsere Aktivitäten sind so vielfältig wie unsere Kämpfe und Bewegungen. Egal ob wir mit einer lautstarken Demo vor die Knasttore ziehen oder gemeinsam Briefe an die inhaftierten Genoss*innen schreiben, egal ob wir durch flächendeckendes Plakatieren und Stickern im öffentlichen Raum auf das Datum aufmerksam machen oder mit Vorträgen über die Situation der Gefangenen informieren: Indem wir rund um den 18. März unseren Protest gegen die Kriminalisierung sichtbar machen und unsere lebendige Solidarität mit den Betroffenen praktisch werden lassen, zeigen wir ihnen, dass auch die dicksten Mauern uns nicht trennen können, dass der Staat es nicht schafft, sie aus unserer Mitte und aus unserer Bewegung zu reißen, dass wir den Kampf gegen die staatliche Repression gemeinsam führen, dass wir ihnen zur Seite stehen, damit sie sich nicht kleinkriegen lassen.
Rund um den 18. März - Tag der politischen Gefangenen finden bundesweit zahlreiche Veranstaltungen statt, die wir hier dokumentieren:
Grußwort des Bundesvorstand zum 18. März |
Samstag, 05.03. – Sonntag, 20.3.2022
HANNOVER
„Die Stimme der Freiheit“
Fotoausstellung
Ort: Pavillon, Lister Meile 4, Hannover
Veranstaltet von: Verein Stimmen der Solidarität – Mahnwache Köln e. V.
Freitag, 11.03.2022
HANNOVER
19.00 Uhr
„Unter Druck: Politische Bewegungen in und aus der Türkei“
Veranstaltung mit Ismail Küpeli, Politikwissenschaftler und Journalist, und Nil Mutluer, aus der Türkei vor der Verhaftung geflohene Soziologin mit Schwerpunkt Feminismus
Ort: Pavillon, Lister Meile 4, Hannover
Veranstaltet von: Pavillon und Rote Hilfe OG Hannover
Freitag, 11.03.2022
WIESBADEN
19.00 Uhr
Briefeschreiben an Gefangene
Es gilt 2G.
Ort: Infoladen Wiesbaden, Blücherstr. 46 (Hinterhaus)
Veranstaltet von: Rote Hilfe OG Wiesbaden
Seit dem 3. März 2022 ist die inhaftierte Klimaaktivistin Ella bis zum 8. März im befristeten Hungerstreik, um ihre Freiheit zu fordern. Ella wurde am 26. November 2020 bei der brutalen polizeilichen Räumung des Dannenröder Walds verhaftet und sitzt seitdem ununterbrochen im Gefängnis. Die überlange Dauer der Untersuchungshaft von inzwischen über 15 Monaten wird dabei mit angeblicher Fluchtgefahr begründet, weil Ella sich weigert, ihre Personalien anzugeben. Ihre Haftbedingungen sind zudem geprägt von regelmäßigen Schikanen.
Vorgeworfen wurden ihr anfangs groteske Straftatbestände, die nach und nach heruntergeschraubt werden mussten, als die Beweislage immer dünner wurde. Als einziger konkreter Vorwurf übriggeblieben ist eine Beinbewegung in Richtung der Polizeibeamten, die in 15 Metern Höhe an ihren Beinen zerrten. Obwohl die Bewegung niemanden berührte, verurteilte das Amtsgericht Alsfeld sie am 23. Juni 2021 zu 27 Monaten Haft – wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs. In der zweiten Instanz, die seit 17. Januar 2022 vor dem Landgericht Gießen läuft, räumten angesichts der entlastenden Beweisvideos die damals beteiligten Polizeibeamten ein, in ihren Aussagen bisher gelogen zu haben. Dennoch weigerte sich der Richter in der Verhandlung am 1. März, einem Antrag auf Haftprüfung stattzugeben und Ella endlich freizulassen.
Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Repression gegen Frauen.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
Zum Tag der politischen Gefangenen am 18.3. bringt die Rote Hilfe e.V. auch in diesem Jahr wieder eine Sonderzeitung heraus, die sich diesmal dem Thema "Solidarität zwischen Drinnen und Draußen" widmet.
Wie schaffen wir es, mit unseren Gefangenen zu interagieren, sie zu stärken und sie an unseren Aktivitäten teilhaben zu lassen? Wie können wir ihre Themen, Kämpfe und Beiträge noch stärker in den Fokus von Bewegung und Gesellschaft rücken? Wie nehmen wir erwartbaren Haftstrafen den Schrecken und fangen sie kollektiv auf?
Neben den Perspektiven von politischen Gefangenen und Rote-Hilfe- und anderen Solidaritätsgruppen in der BRD gibt es auch wieder viele Beiträge zu inhaftierten Aktivist*innen international.
Die 18.3.-Sonderzeitung liegt in diesem Jahr gleich sechs linken Zeitungen an den folgenden Terminen bei:
25.2. junge Welt
15.3. Neues Deutschland
15.3. analyse und kritik
17.3. Jungle World
17.3. Freitag
18.3. unsere zeit
Für die sonstige Verbreitung sind wir alle gemeinsam zuständig. Gibt es die 18.-März-Zeitung auch in deinem Infoladen, AZ, Büro oder deiner WG? Kennst du Läden, wo sie noch ausgelegt werden kann? Dann kontaktiere deine Ortsgruppe oder bestelle beim RH-Literaturvertrieb und hilf mit, dass die Zeitung dort ankommt: This e-mail address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.
Hier gibt es die Zeitung als PDF zum download
Am 26. Februar 2022 finden ab 14 Uhr in über 50 Städten bundesweit Menschenketten der tamilischen Exil-Community statt, die damit gegen die anhaltende Repression auf Sri Lanka protestiert. Bis heute verfolgen die sri-lankischen Repressionsorgane die sozialistische Bewegung; rund 140.000 Tamil*innen gelten als „verschwunden“, und die Zahl der politischen Gefangenen ist unbekannt. Systematisch verletzt die sri-lankische Regierung weiterhin elementare Grund- und Menschenrechte der tamilischen Minderheit und unterbindet die Aufklärung des Genozids im Jahr 2009. Die Bundesregierung ignoriert diese Situation und schiebt in letzter Zeit vermehrt Tamil*innen, die während des Bürger*innenkriegs hierher geflüchtet sind, nach Sri-Lanka ab.
„Die Rote Hilfe e. V. begrüßt es, dass die tamilische Community zu einem Aktionstag gegen Repression und Menschenrechtsverletzungen aufruft“, machte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. deutlich. „Wir fordern ein Ende der Verfolgung der sozialistischen tamilischen Bewegung, die umgehende Freilassung der politischen Gefangenen auf Sri Lanka und die Aufarbeitung der genozidalen Massaker an Aktivist*innen und Zivilbevölkerung. Und vor allem muss die Bundesregierung die Abschiebungen von Tamil*innen sofort beenden.“