Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Politische Justiz.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Eine Reihe von Prozessen, die ihren Ausgang bei einer Veranstaltung der AfD in der Stadtbücherei Heidelberg im Mai 2017 genommen hatte, ist durch Einstellungsbeschluss des Landgerichts Heidelberg beendet worden. Zuvor hatte 2018 das Amtsgericht den Antifaschisten Michael Csaszkóczy zu 20 Tagessätzen verurteilt, weil er bei besagter Veranstaltung sich nicht auf Zuruf der AfD aus dem Foyer des Saales entfernt hatte. Die Stadt hatte den Veranstaltungsraum – benannt nach der den Nazis knapp entkommenen Heidelberger Schriftstellerin Hilde Domin – ausgerechnet der AfD für eine Wahlkampfveranstaltung vermietet.
Dem Urteil folgten weitere Strafbefehle: So soll Michael einen Polizisten am Rande eines Straßenfestes als „Würstchen“ bezeichnet haben, und als er den diesbezüglichen Strafbefehl, dem eine gewisse humoristische Qualität sicher nicht abzusprechen war, im Internet ausstellte, flatterte ein weiterer Strafbefehl ins Haus: §353d StGB „Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“ – auch routinierte Rechtshelfer*innen aus der Roten Hilfe mussten zunächst nachlesen, dass die dritte Alternative des Paragraphen wirklich so gelesen werden kann, dass auch skandalöse Strafbefehle nicht im Wortlaut in der Öffentlichkeit zitiert werden dürfen, solange es keine Verhandlung gab. Unterschrieben hat die Urteile bzw. Strafbefehle die Richterin Julia Glaser, Schwiegertochter von Albrecht Glaser, dem AfD-Bundestagsabgeordneten, der wegen seiner rabiaten antiislamischen Positionen 2017 als Bundestags-Vizepräsident durchgefallen war. Ihre Beteuerung, trotz der persönlichen Verflechtungen unbefangen zu urteilen, erschien spätestens mit der Begründung im Prozess von 2018 zweifelhaft: Michael hätte demnach zwar nicht einfach so die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen verweigert werden dürfen, aber sein Ausschluss sei dennoch gerechtfertigt, weil die Polizei ihn als „Rädelsführer“ ansehe, der in diesem Fall sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verwirkt habe.
Seit dem 8. Januar 2021 befindet sich der politische Gefangene Dimítris Koufontínas im Hungerstreik, um gegen die schikanösen staatlichen Angriffe auf seine Person zu protestieren. Vorausgegangen war bereits eine Gesetzesänderung, die die griechische Regierung genau auf ihn zugeschnitten hat: Demnach dürfen Gefangene, die als Terrorist*innen verurteilt oder angeklagt wurden, nicht mehr in Haftanstalten mit etwas weniger rigideren Bedingungen untergebracht werden, sondern müssen in ihre früheren Gefängnisse zurückverlegt werden. Aufgrund dieses Gesetzes wurde Dimítris Koufontínas aus dem Landwirtschaftsgefängnis bei Vólos widerrechtlich in das Hochsicherheitsgefängnis in Domokós verlegt. Koufontínas befindet sich als Mitglied der revolutionären Guerilla-Organisation 17. November (17N) in Haft, seit er sich 2002 freiwillig gestellt hatte.
Das jetzige Vorgehen der staatlichen Repressionsorgane ist nicht nur eine unübersehbare Schikane gegen den kämpferischen Gefangenen, die dank des neuen Gesetzes möglich ist, sondern zugleich ein offener Rechtsbruch. Koufontínas wurde nämlich nicht – wie es die neue Regelung vorsieht – in sein früheres Gefängnis in Athen zurückverlegt, sondern ohne Vorwarnung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in das weit entfernte Domokós verschleppt.
Bundesweit sehen sich aktive Antifaschist*innen mit einer Vielzahl an Kriminalisierungsversuchen konfrontiert. Ein Ausdruck hiervon sind zahllose Strafverfahren an deren Ende immer öfter Haftstrafen stehen. Bittere Höhepunkte im vergangenen Jahr waren die Inhaftierungen von Jo und Dy in Stuttgart und von Lina in Leipzig. Die militante antifaschistische Praxis gegen Nazis wird juristisch hoch gehängt. Schnell wird ein besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs, eine kriminelle Vereinigung oder gar ein versuchter Totschlag konstruiert. Höchste Zeit für lautstarken Protest gegen diese Verschärfung der Repression. Die Rote Hilfe e.V. ruft daher zur Teilnahme an der überregionalen Antirepressionsdemo am 20. März 2020 in Stuttgart auf.
Im sogenannten k.o.m.i.t.e.e.-Verfahren gegen drei Genossen aus Deutschland konnte jüngst ein Erfolg verbucht werden: Die "Commission for the Control of Files" (CCF) von Interpol hat der Beschwerde des Rechtsanwalts Benjamin Derin stattgegeben. Damit wurde die Rote Ausschreibung, auch „Red Flag“ genannt, gegen Thomas Walter, einen der Verfolgten, zurückgenommen. Begründung ist das laufende Asyl-Verfahren des Aktivisten in Venezuela. Vorgeworfen werden den drei Genossen die Durchführung eines Brandanschlages gegen das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwalde 1994 sowie die versuchte Sprengung eines Abschiebeknastes im darauf folgenden Jahr.
Der Haftbefehl des Bundesgerichtshofes ist damit zwar nicht aufgehoben worden, aber die Fahndung außerhalb Europas muss jetzt eingestellt werden. Erst 2020 war Peter Krauth, ein weiterer der betroffenen Genossen, wegen einer solchen Roten Ausschreibung für vier Monate unter unmenschlichen Bedingungen im Interpol-Büro in Caracas gefangen gehalten worden, bis der Oberste Gerichtshof Venezuelas schließlich seine Freilassung anordnete. Dass die Rote Ausschreibung annulliert wurde, ist ein ungewöhnlicher Erfolg. Üblicherweise übernimmt Interpol alle Fahndungen eines Mitgliedstaates ungefragt, wodurch die Roten Ausschreibungen oft zu einem Instrument politischer Verfolgung werden. Dass ausgerechnet eine von Deutschland veranlasste Fahndung gelöscht wird ist angesichts der Tatsache, dass Interpol aktuell durch einen deutschen Polizeibeamten geführt wird, umso überraschender. Die CCF räumt mit dieser Entscheidung ein, dass die internationale Fahndung gegen die drei Beschuldigten seit Jahren unrechtmäßig war.
Wie in jedem Jahr gibt es rund um den Tag der politischen Gefangenen am 18. März zahlreiche Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit. In vielen Städten finden Kundgebungen und Demonstrationen statt, bei Online-Veranstaltungen werden die Fälle inhaftierter Aktivist*innen in der BRD und international vorgestellt, und der Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. bringt wieder die jährliche Sonderzeitung zum 18. März sowie Plakate und Aufkleber heraus.
Die 18.3.-Sonderzeitung liegt ab Ende Februar 2021 in fünf Zeitungen bei:
- am 26. Februar in der jungen Welt
- am 11. März in der Jungle World
- am 12. März in unsere zeit
- am 16. März in analyse & kritik
- am 16. März im Neuen Deutschland
In diesen Ausgaben könnt ihr euch also auf die 18.3.-Beilage in euren Abonnement-Ausgaben freuen oder sie am Kiosk kaufen.
Wenn ihr größere Mengen an Zeitungen, Plakaten und Aufklebern bestellen möchtet, um sie bei Demonstrationen zu verbreiten oder an Genoss*innen und linke Projekte in eurer Umgebung weiterzuverteilen, könnt ihr sie kostenlos bestellen.
Bitte schickt die Mengenangaben und bei Bedarf eine paketfähige Lieferadresse an This e-mail address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.
Weitere Informationen zu den bundesweit geplanten Veranstaltungen rund um den Tag der politischen Gefangenen folgen Anfang März.
Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Politische Prozesse und Aussageverweigerung.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
Die Rote Hilfe e.V. fordert, gemeinsam mit vielen weiteren Gruppen und Organisationen aus ganz Europa, das Ende jeder diskriminierenden Behandlung von Dimitris Koufodinas. Seit 8. Januar 2021 befindet sich der in Griechenland einsitzende politische Langzeitgefangene im Hungerstreik. Dimitris wehrt sich gegen die willkürlichen und repressiven Schikanen, mit denen er sich seit seiner Inhaftierung und insbesondere in den vergangenen Monaten konfrontiert sieht. Insbesondere wurde im Dezember 2020 ein gezielt auf seinen Fall zugeschnittenes Gesetz erlassen, das verschiedene Hafterleichterungen streicht, und er wurde entgegen der griechischen Gesetzeslage in ein weit vom Wohnort seiner Familie entferntes Gefängnis verlegt.
Wegen der Mitgliedschaft in der militanten „Revolutionären Organisation 17. November“ war er im Jahr 2002 festgenommen und in der Folge zu 11-mal lebenslänglich plus weiteren 25 Jahren Haft verurteilt worden.
Ein neues Versammlungsgesetz soll in Nordrhein-Westfalen mehr Überwachungsbefugnisse der Polizei und Einschränkungen von Protest und Gegendemonstrationen schaffen. Auch in Berlin und in Sachsen-Anhalt soll das Versammlungsgesetz novelliert werden, wobei gerade letzteres ebenfalls massive Verschärfungen vorsieht. Indem sie die geplanten Vorhaben beschleunigt durchpeitschen wollen, nutzen die Landesregierungen die derzeitige Corona-Pandemie, um breite Proteste gegen dieses grundrechtsfeindliche Vorhaben zu verhindern.
Laut den Verfasser*innen sollen es die geplanten Änderungen in Nordrhein-Westfalen erleichtern, rechte Aufzüge zu reglementieren und zu verhindern. So könne auch von öffentlicher Seite rechten Gruppierungen wirksam entgegen getreten werden. Doch die angedachten behördlichen und polizeilichen Befugnisse und die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit werden sich selbstverständlich auf alle Versammlungen beziehen und werden wie schon bisher vor allem gegen linke Demonstrationen restriktiv eingesetzt werden, was einige explizit gegen linke Aktionsformen gerichtete Neuerungen nur allzu deutlich machen. Zudem öffnen zahlreiche Aspekte polizeilichen Willkürmaßnahmen im Umgang mit Versammlungen und Demonstrant*innen Tür und Tor.
Die Große Strafkammer 27 am Hamburger Landgericht hat heute entschieden, das im Dezember eröffnete Pilotverfahren im so genannten Rondenbarg-Komplex zu den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017 abzubrechen. Der Vorsitzende Richter Halbach begründete den Abbruch mit der Entwicklung der Covid-19-Pandemie.
Erst am 3. Dezember 2020 hatte das Landgericht das erste größere Rondenbarg-Verfahren eröffnet. Vor Gericht stehen fünf Menschen aus Stuttgart, Mannheim, Halle und Bonn. Bei ihnen handelt es sich um die jüngsten Beschuldigten; insgesamt sollen in diesem Zusammenhang über 80 Personen angeklagt werden. Ihnen wird nach einer von der Polizei angegriffenen Versammlung u. a. gefährliche Körperverletzung, Widerstand und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamt*innen sowie die Bildung bewaffneter Gruppen und Landfriedensbruch vorgeworfen. Allerdings werden ihnen keine individuellen Straftaten zugeordnet, sondern pauschal alle Aktivitäten angelastet, die aus dem Protestzug heraus ausgeübt wurden.
Anlässlich der Bombardierung Magdeburgs zum Ende des Zweiten Weltkriegs marschierten zahlreiche Nazis – wie in jedem Jahr – ohne Einschränkungen der Polizei und Stadtverwaltung durch Magdeburg. Der Gegenprotest wurde bewusst kriminalisiert. Hundertschaften der Polizei schlugen Demonstrierende krankenhausreif und behinderten die Pressearbeit. Auch die antifaschistische Vorabend-Demo hatte mit zahlreicher Repression zu kämpfen.
Begonnen hat der antifaschistische Protest gegen das faschistische Gedenken an die Zerstörung Magdeburgs bereits am 15. Januar. Ein breites Bündnis antifaschistischer Gruppen rief unter dem Motto „Pappesatt“ zur Demo durch Magdeburg auf. Die Repressionsbehörden hatten kurz zuvor die Demo – unter dem Vorwand der Corona-Pandemie – verboten und nur eine stationäre Kundgebung zugelassen. Auch eine Eilklage, die das Bündnis vor dem Verwaltungsgericht erhob, wurde zurückgewiesen. Die Polizei tat derweil alles, um die Kundgebung und ihre Forderungen zu kriminalisieren.
Hundertschaften aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen sowie der Bundespolizei fuhren ein Großaufgebot auf. Über 50 Einsatzfahrzeuge begleiteten den friedlichen Protest und spiegelten ein martialisches Abbild staatlicher Gewalt wider. Spontane Spaziergänge der Antifaschist*innen wurden durch die Polizei – ganz im Gegensatz zu rechten Querdenker*innen-Aufmärschen – früh gestoppt.