Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Aktion und Kunst im öffentlichen Raum.
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Sowohl gegen die Aktivist*innen in Lützerath als auch gegen die Demonstrant*innen von Ende Gelände gingen die staatlichen Repressionsorgane in den letzten zwei Wochen mit äußerster Härte vor. Mit Inhaftierungen, Verboten und brutaler Polizeigewalt soll offenbar versucht werden, die stärker werdende Bewegung einzuschüchtern.
Schon in den letzten Jahren wuchs die staatliche Repression gegen die Klimabewegung stark an: Bewusst menschengefährdende Räumungen von Waldbesetzungen, monatelange oder sogar jahrelange Inhaftierungen von Aktivist*innen, extrem gewalttätige Polizeieinsätze, die zahlreiche Menschen zum Teil schwer verletzten, schikanöse Auflagen gegen Demonstrationen und Verbote von geplanten Versammlungen – die Liste könnte beliebig verlängert werden.
In den vergangenen Wochen hat sich die Situation erneut zugespitzt: Ein Kristallisationspunkt der Klimakämpfe ist das von Aktivist*innen besetzte Dorf Lützerath („Lützi“), das für den klimazerstörerischen Braunkohleabbau des Energiekonzerns RWE abgerissen werden soll. Obwohl sich der Bundestag im Juli 2022 für den Erhalt des Ortes ausgesprochen hatte, begann RWE Anfang August damit, das Gelände zu umwallen und damit dem Abriss der Häuser und dem Abbau der Kohle näherzukommen. Gegen die Blockierer*innen gingen neben der äußerst brutalen RWE-Security auch die Polizei vor, die vier Lützi-Aktivist*innen über sieben Tage hinweg in Präventivgewahrsam nahm. Erst am 10. August kamen sie wieder frei.
Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Griechenland.
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Hamburg, der 15.08.2022
Seit Donnerstag hat das Aktionsbündnis Ende Gelände in Norddeutschland vielfältige Aktionen zivilen Ungehorsams durchgeführt. Damit protestierten die Klimaaktivist*innen gegen den Ausbau von Gasinfrastruktur und koloniale Wirtschaftsstrukturen. Die Polizei ging mit massiver Gewalt gegen die Demonstrant*innen vor. Die Demonstrant*innen sorgten mit ihren Aktionen dafür, dass der Güterverkehr im Hamburger Hafen für neun Stunden blockiert wurde.
Es kam zu zahlreichen dokumentierten Übergriffen durch die Polizei. Durch den Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken, Reizgas und Schmerzgriffen sowie durch Schläge und Tritte wurden zahlreiche Aktivist*innen verletzt – teilweise schwer. Einige Aktivist*innen mussten in Folge der Polizeigewalt im Krankenhaus behandelt werden. Darüber hinaus gefährdete die Einsatzleitung mehrfach die Gesundheit der Aktivist*innen, indem bei über 30 Grad Trinkwasser verweigert, die medizinische Versorgung durch Sanitäter*innen aktiv behindert und Sonnenschutz konfisziert wurde.
Luca Schöller von den Demosanitäter*innen: „Die Polizei hat eine bewusstlose Person für mindestens 20 Minuten in der prallen Sonne liegen lassen und unterstellt, sie würde simulieren. Die Polizei hat unsere lebensrettenden Maßnahmen massiv behindert, indem die gewaltsame Räumung ohne Rücksicht auf die verletzte Person sowie unter Gefährdung des Rettungspersonals in unmittelbarer Nähe fortgeführt wurde. Trotz mehrfacher Aufforderung, unverzüglich den Rettungsdienst und eine Notärzt*in zu alarmieren, wurde der Rettungswagen erst mit deutlicher Verzögerung gerufen - die Polizei hat unsere Einschätzung bis zur Bestätigung der akuten Lebensgefahr durch einen Polizeiarzt ignoriert. Sie haben ein Menschenleben gefährdet.“
Am 24. Juli fand vor dem Stuttgarter Landgericht das Berufungsverfahren gegen den Stuttgarter Chris statt. Der angeklagte Kommunist wurde in zweiter Instanz vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen. Durch eine konsequent politische Prozessführung ist es im Laufe des Verfahrens gelungen, die Rolle des geladenen Gutachters in den Mittelpunkt zu stellen. Der 78-Jährige steht mit seiner Methodik, seiner beruflichen Praxis und seiner persönlichen Familiengeschichte in der Tradition der NS-Ideologie.
Schon weit vor Prozessbeginn kamen vor dem Gerichtsgebäude zahlreiche Unterstützer:innen zusammen. Am aufgebauten Infostand konnten unter anderem Briefe an politische Gefangene geschrieben werden. In Redebeiträgen stellten u.a. die Rote Hilfe sowie die Interventionistische Linke die Notwendigkeit der Solidarität in den Mittelpunkt. Denn das Verfahren an diesem Tag lässt sich nicht isoliert betrachten, schon seit Jahren sind kommunistische, revolutionäre Kräfte in der Region massiv von Repression betroffen. Chris stellte in einer kurzen Rede klar, dass die Konfrontation mit der bürgerlichen Justiz in der politischen Praxis unausweichlich ist. Eine revolutionäre Linke, die ihren eigenen Anspruch ernst nimmt, müsse „einen konkreten Weg suchen, wie eine revolutionäre Gegenmacht gegen die Repression aufzubauen“ sei.
Ganzer Artikel: https://solidaritaetweitermachen.wordpress.com/2022/06/29/bericht-freispruch-fur-chris/
Interview in der Jungen Welt: https://www.jungewelt.de/artikel/429550.linke-vor-gericht-das-ist-eine-kampagne-der-klassenjustiz.html
Zum Abschluss der organisierten Proteste gegen den G7-Gipfel 2022 in Elmau zieht der Ermittlungsausschuss(1) Bilanz: Formal durch das Grundgesetz geschützte Versammlungen waren massiven Einschränkungen und teils brutalen Polizeiübergriffen ausgesetzt, dutzende Menschen wurden grundlos festgehalten und Anwält:innen in Ausübung ihres Mandats offensichtlich von der Polizei belogen. EA-Sprecher:in Deniz Kayser: „Zum Gipfel gab es wieder das gewohnte bayerische Bild: Innenministerium und Polizei setzten sich souverän über Recht und Gesetz hinweg. Und ganz offensichtlich haben sie gezielt Zwischenfälle provoziert, um den teuren Großeinsatz irgendwie zu rechtfertigen.“
Dem kurdisch-stämmigen Kommunisten Ecevit Piroğlu droht in wenigen Tagen die Abschiebung von Serbien in die Türkei. Nachdem er im Juni 2021 festgenommen wurde, findet am 3. Juni die Anhörung vor Gericht statt, die über eine Auslieferung entscheidet.
Ecevit Piroğlu war vor über zehn Jahren aus der Türkei geflohen, um einer langjährigen Haftstrafe aufgrund seiner politischen Aktivitäten zu entgehen.
Politisiert in der Studierendenbewegung der neunziger Jahre, war er später für einige Zeit Direktor des international bekannten Menschenrechtsvereins IHD, der seit Jahrzehnten Folterungen in Haft, Polizeigewalt auf Demonstrationen und das „Verschwindenlassen“ linker Oppositioneller in der Türkei anprangert.
Vor seiner Flucht nahm er an zahlreichen Kämpfen gegen die Assimilation unterschiedlicher Kulturen und Glaubensrichtungen teil. Als aktiver Teilnehmer am Gezi-Aufstand 2013 und Geschäftsführer der Sozialistischen Demokratischen Partei (SDP) wurde er von der Regierung verstärkt ins Visier genommen. Im Juni 2013 fand eine Durchsuchung des SDP-Gebäudes statt, bei der Piroğlu und Dutzende weitere Personen brutal überfallen und festgenommen wurden. Angesichts der Verhaftungen und massiven Verfolgung vieler Führungskräfte war die SDP gezwungen, sich aufzulösen. Der Aktivist, der bereits mehrfach in Haft gewesen ist, entschied sich für das Exil, um einer langen jahrzehntelangen Gefängnisstrafe zu entgehen.
Am Morgen des 24. Mai 2022 wurde der kurdische Aktivist Ali Ö. festgenommen und nach Eröffnung des Haftbefehls durch den Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhaftet. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft in der JVA Frankfurt/M. 1. Ihm wird vorgeworfen, als mutmaßliches Mitglied der PKK für bestimmte Gebiete verantwortlich gewesen zu sein und die üblichen organisatorischen, finanziellen und politischen „Kaderaufgaben“ durchgeführt zu haben. Ihm wie den meisten Aktivist:innen werden keine individuellen Straftaten zur Last gelegt.
Ali Ö. weiß, was es in Deutschland bedeutet, sich politisch für die legitimen Anliegen von Kurdinnen und Kurden einzusetzen. Wegen seiner Aktivitäten ist der 54-Jährige bereits im Oktober 2016 vom OLG Stuttgart gem. §§129a/b StGB zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt und Anfang August 2018 aus der Haft entlassen worden.
Seit der Entscheidung des BGH vom Oktober 2010, auch die PKK als eine „terroristische“ Vereinigung im Ausland gem. §§129a/b StGB einzustufen, ist Ali der 54. Betroffene, der mit einer derartigen Anklage konfrontiert ist.
Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Verfassungsschutz.
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Am Samstag, 21. Mai 2022 beginnt im italienischen Trapani der bisher größte Prozess gegen die Seenotrettung. Nach fünf Jahren Ermittlungen drohen vier Crewmitgliedern aus Deutschland bis zu 20 Jahre Haft, weil sie dabei geholfen haben, mehr als 14.000 Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken zu retten. In dem Verfahren klagt die Staatsanwaltschaft insgesamt 21 Personen, eine Reederei und zwei Nichtregierungsorganisationen an. Der Vorwurf: „Beihilfe zur irregulären Einreise“. Im Falle einer Verurteilung drohen den Angeklagten zudem Strafforderungen in Millionenhöhe.
Ab Juli 2016 begannen Freiwillige sich mit dem eigens gekauften Schiff Iuventa an Such- und Rettungsaktionen im zentralen Mittelmeer zu beteiligen und Menschen aus Seenot in sichere europäische Häfen zu bringen. Nach mehreren Versuchen der Kriminalisierung der Seenotrettung wurde die Iuventa im August 2017 von der italienischen Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Dabei wurden zudem Ermittlungsverfahren gegen mehrere Besatzungsmitglieder*innen eingeleitet.
In der am Samstag beginnenden nicht-öffentlichen Vorverhandlung wird entschieden, ob die Anklage fallen gelassen oder ein möglicherweise jahrelanger Prozess gegen die Seenotretter*innen eingeleitet wird. Verschiedene Menschenrechtsorganisationen und antirassistische Gruppen haben für den Tag bereits Proteste angekündigt. Auch in Deutschland gibt es seit Wochen Solidaritätsveranstaltungen und -aufrufe.
In den vergangenen Tagen konnten gleich zwei Genoss*innen wieder in der Freiheit begrüßt werden: Der Nürnberger Aktivist Jan kam am Morgen des 6. Mai 2022 nach acht Monaten Haft aus dem Bayreuther Gefängnis. Der Prozess gegen ihn hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt: Vorgeworfen wurde ihm, im Juni 2019 bei spontanen Protesten gegen einen Polizeieinsatz auf dem Jamnitzer Platz die Einsatzkräfte angeschrien zu haben, was als „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ gewertet wurde, obwohl es keinerlei Körperkontakt gab. Darüber hinaus war er laut Zeug*innen gar nicht vor Ort gewesen. Trotzdem musste Jan eine 14-monatige Haftstrafe antreten. Seine vorzeitige Freilassung wurde am 6. Mai von Unterstützer*innen lautstark gefeiert.