Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Repression gegen migrantische Aktivist_innen.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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summer of resistance – summit of repression – solidarity is our weapon
G20 ist vorbei, aber es gibt für uns keinen Anlass zur Tagesordnung überzugehen! Mehr als 100.000 Menschen haben über alle Spektren und Strömungen hinweg gegen den G20-Gipfel in Hamburg demonstriert. Bereits im Vorfeld wurde dieser Widerstand angegriffen. Camps und Demos wurden verboten, Wohnungen durchsucht. Es kam zu Gefährder*innen-Ansprachen, Ingewahrsamnahmen, Einreiseverboten. Auch während der Protesttage wurden unzählige Menschen von der Polizei verletzt, hunderte Aktivist*innen in Gewahrsam oder festgenommen. 36 von ihnen sitzen immer noch in Untersuchungshaft, viele von ihnen Genoss*innen, die aus anderen Ländern nach Hamburg gekommen sind, um gegen den G20-Gipfel zu protestieren.
Zwei Wochen nach dem G20 Gipfel in Hamburg ist noch vieles offen, auch die Zahl derer, die verletzt wurden. Doch sie wird sich nicht ermitteln lassen, selbst wenn dies versucht werden würde. Vielfältig und unermüdlich wie die Proteste waren, ist dies schlicht nicht möglich.
Die täglich ansteigende Zahl der verletzten Polizist*innen erweckt das starke Bedürfnis nach einer Gegendarstellung: „Auch auf Seite der Aktivist*innen gab es so und so viele Verletzte“
Doch auf dieses Spiel lassen wir uns nicht ein. Klar ist, genaue Zahlen kennt niemand und es kann nicht das Ziel sein, sich welche auszudenken. Auch Behandlungszahlen zu veröffentlichen wäre irreführend. Denn obwohl sehr viele Verletzungen durch unsere Strukturen versorgt werden konnten, die meisten wurden von Genoss*innen, solidarischen Ersthelfer*innen, zu Hause oder in der nächsten Kneipe behandelt.
Von einem „Festival der Demokratie“ sprach Hamburgs Innensenator Andy Grote vor dem G20-Gipfel, wenn er diesen meinte. Jetzt, nach den Ereignissen in Hamburg wissen wir, dass diese Aussage offenbar auf einem recht fragwürdigen Verständnis von Demokratie fußte.
So wurde das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bereits gleich zu Beginn der Protestwoche mit Füßen getreten, als der Aufbau der Camps für die Gipfelgegner*innen rechtswidrig, da gegen anderslautende Gerichtsurteile, und teilweise unter Zuhilfenahme von Schlagstock, Pfefferspray- und Wasserwerfereinsatz unterbunden wurde.
Demonstrationsbeobachtung des Grundrechtekomitees in Hamburg vom 2. – 8. Juli 2017:
"Mit insgesamt 43 Demonstrationsbeobachter*innen hat das Komitee für Grundrechte und Demokratie viele Versammlungen in der Zeit vom 2. bis 8. Juli 2017 in Hamburg begleitet. Wir wollen den einseitigen Polizeiberichten genaue Darstellungen der Abläufe entgegenstellen. Unser Ausgangspunkt sind die Grund- und Menschenrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Denn diese galten seit jeher „als Zeichen der Freiheit, der Unabhängigkeit und der Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers“, wie es im Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts heißt.
Wir haben beobachtet, in welchem Maße die Polizei in diesen Tagen die Macht über das Geschehen in der Stadt übernommen hat. Sie hat eskaliert, Bürger- und Menschenrechte ignoriert, sie informierte die Öffentlichkeit falsch und ging mit großer Gewalt gegen die Menschen vor. Schon seit Monaten warnen wir vor dem Ausnahmezustand, der anlässlich des G20 in Hamburg produziert wird. Das, was wir in dieser Woche vorgefunden haben, geht sogar über das, was wir befürchtet haben, noch hinaus. Nicht nur wurden die Grund- und Menschenrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch die Allgemeinverfügung außer Kraft gesetzt. Die Polizei hat, gedeckt von der Hamburgischen Regierung und vermutlich auch im Sinne der Interessen der/des Innminister/-senators und der Sicherheitsbehörden den Ausnahmezustand geprobt.
Pressemitteilung #17 vom 09.07.2017
Die Einreisesperren rund um den Sonderzug zum G20-Gipfel von Basel nach Hamburg, die gegen Demonstrant*innen aus der Schweiz verhängt worden waren, wurden in der Nacht auf den 7. Juli vom Verwaltungsgericht Stuttgart vorläufig außer Kraft gesetzt. Nachdem Eilanträge gestellt worden waren, wurde in drei Fällen die aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gegen die Einreisesperren wiederhergestellt, so dass die Betroffenen einreisen konnten.
Die Haftbedingungen in der Gefangenensammelstelle in Hamburg-Harburg sind katastrophal, die Gefangenen werden menschenunwürdig behandelt. Der Zugang zu anwaltlichem Beistand und ärztlicher Versorgung wurde verschleppt. Anwält*innen berichten von systematischem Schlafentzug durch Dauerbeleuchtung, Essensentzug, bewusster Verletzung des Schamgefühls, unerträglicher Hitze in den Zellen, Erniedrigungen und Einschüchterungen sowie absichtlicher Desinformation über die angeblich zu erwartenden Strafen..
Pressemitteilung #16 vom 09.07.2017
Im Anschluss an den Aktionstag gegen den G20-Gipfel am 7. Juli und die polizeiliche Räumung des Schanzenviertels durchsuchte das LKA Hamburg am 8. Juli das Internationale Zentrum B5 in der Brigittenstraße 5 in St. Pauli. Um 10:45 Uhr stürmten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten in das Vereinslokal und stürzten sich auf die anwesenden Personen. Ohne Nennung von Gründen wurden die Anwesenden gefesselt und die Räumlichkeiten des Vereins sowie zwei Privatwohnungen im selben Gebäude durchsucht. Auch die Kellerräume des angrenzenden Kinos B-Movie und der Einkaufsgemeinschaft FoodCoop wurden durchwühlt. Bei den Durchsuchungen wurden zwei Personen verletzt, eine Ärztin wurde nicht zu ihnen durchgelassen. Die Razzia wurde vom Landeskriminalamt Hamburg nach Hinweisen des Landesamtes für Verfassungsschutz durchgeführt. Angeblich sollten sich Molotowcocktails in den Räumen befinden, was sich als haltlose Diffamierung erwies.
Pressemitteilung #15 vom 08.07.2017
Nach dem Eröffnungstag des G20-Gipfels verlor die Polizei in der Nacht auf den 8. Juli vollends die Kontrolle über Teile Hamburgs. Und das, obwohl zusätzlich zu den bereits eingesetzten mehr als 15.000 Polizist*innen noch weitere Verstärkung aus anderen Bundesländern angefordert und bewilligt wurde. Weder die mehr als 20 Wasserwerfer noch die eingesetzten Räumpanzer, weder das massenhaft versprühte Reizgas noch die Knüppel und Fäuste konnten die Lage unter Kontrolle bringen. Zuletzt setzte die Hansestadt sogar schwerbewaffnete Spezialeinheiten
zur Aufstandsbekämpfung gegen die eigene Bevölkerung ein.
Pressemitteilung #14 vom 07.07.2017
Am frühen Morgen des 7. Juli begann der Aktionstag gegen den G20-Gipfel mit Blockaden der Protokollstrecken und des Hafens. Auch in dem per Allgemeinverfügung zur Verbotszone erklärten Gebiet kamen tausende Gipfelgegner*innen zu kleineren und größeren Demonstrationen zusammen und beteiligten sich an den vielfältigen Aktionen. Leider waren wie am Vortag viele Verletzte zu beklagen.
Auf dem Weg vom Berliner Tor zum Mundsburger Kanal wurde eine Demonstrat*in in St. Georg von einem Polizeifahrzeug überrollt, das ohne zu anzuhalten weiterfuhr. Die nachfolgenden Fahrzeuge der Polizeikolonne stoppten erst, als sich weitere Personen schützend vor die verletzte Person auf die Fahrbahn stellten. Allerdings stiegen die Polizist*innen nicht etwa aus, um erste Hilfe zu leisten, sondern um die Ersthelfer*innen mit Pfefferspray zu vertreiben. Anschließend nahm die Polizei im Krankenhaus die Personalien der verletzten Person auf und versuchte sie zu verhören.
Pressemitteilung #13 vom 07.07.2017
Am 6. Juli zerschlug die Polizei in Hamburg noch am Auftaktort die „Welcome to Hell“-Demonstration gegen den G20-Gipfel mit über 12.000 Teilnehmer*innen. In der Folge verteilten sich die Menschen im Hamburger Stadtgebiet und es gab an vielen Orten Auseinandersetzungen mit der Polizei. An diesem Tag verletzte die Polizei so viele Menschen, dass den Autonomen Demosanis mittlerweile das Verbandsmaterial ausgegangen ist.
Nach eigenen Angaben nahm die Polizei bis zum Abend des 7. Juli 71 Personen fest, nahm aber nur 15 Personen in Gewahrsam. Bisher sind dem Ermittlungsausschuss fünf Personen bekannt, gegen die Untersuchungshaft angeordnet wurde. Davon befinden sich vier Personen in der JVA Billwerder, zwei von ihnen wurden ohne anwaltlichen Beistand dem Haftrichter vorgeführt. Mit diesem Vorgehen hebelt die Hamburger Justiz die wesentliche Grundlage eines rechtsstaatlichen Verfahrens aus.
Pressemitteilung #12 vom 07.07.2017
Bei der Anreise zur „Welcome to Hell“-Demonstrationen setzte die Polizei am 6. Juli die Schikanen der vorherigen Tage fort. Mehrere Busse aus Dänemark konnten ihre Fahrt erst nach stundenlangen Durchsuchungen fortsetzen. Bei der Kontrolle von Bussen aus Berlin forderte die Polizei Anreisende auf, ihre Handys zu entsperren, um der Polizei Zugriff auf die in den Handys gespeicherten Daten zu geben.Per Twitter verteidigte die Polizei ihr Vorgehen: „Im Hafen haben wir mehrere Bus-Passagiere & deren Handy-IMEI-Nummern überprüft. Es wurden keine Apps / persönl. Daten ausgelesen.“ Die Polizei agierte hier ohne Rechtsgrundlage. Auf Kritik an ihrem klar rechtswidrigen Vorgehen reagierte die Hamburger Polizei gewohnt dreist: „Jedem Bürger steht der Beschwerdeweg offen. Die gerichtliche Überprüfung polizeilicher Maßnahmen kann jeder initiieren.“