Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Repression gegen migrantische Aktivist_innen.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Am 18.10.2016, findet in Karlsruhe eine Zeugenvernehmung durch den Generalbundes-anwalt (GBA) statt. Anlass ist das Ermittlungsverfahren gegen die linke Gruppe „Das KOMITEE”, das der GBA unermüdlich und mit gesteigerter Energie seit mehr als 21 Jahren führt.
Die Gruppe hatte sich 1994 zu einem Brandanschlag auf eine Bundeswehreinrichtung in Bad Freienwalde und 1995 zu einem in der Vorbereitungsphase gescheiterten Bombenanschlag auf eine im Bau befindlichen Abschiebeknast in Berlin-Köpenick bekannt. Drei Personen aus der Berliner autonomen Szene waren seinerzeit untergetaucht und wurden seitdem als angeblich gefährliche Terroristen vom BKA weltweit gesucht.
Die Hartnäckigkeit, mit der der GBA in dieser Sache auch nach mehr als 21 Jahren noch weiter ermittelt, steht in keinem Verhältnis zu den verfolgten Taten, bei denen keine Menschen zu Schaden kamen und die nach Auffassung von Jurist*innen eigentlich mittlerweile wegen absoluter Verjährung nicht mehr bestraft werden können. Folgerichtig wurde auch die Auslieferung eines der drei Gesuchten, Bernhard Heidbreder, vom obersten Gerichtshof Venezuelas im Oktober 2015 abgelehnt. Heidbreder war im Juli 2014 in Venezuela festgenommen worden, befindet sich aber mittlerweile auf freiem Fuß.
Der Versuch, mit der Drohung von bis zu sechs Monaten Beugehaft eine Zeugenaussage von einer Person zu erzwingen, scheint vor diesem Hintergrund eher einer Bestrafung des sozialen Umfelds der seit damals Verfolgten zu dienen, als einer Sachaufklärung.
Drei Jahre und sechs Monate für kurdischen Politiker Ali Özel
Am heutigen Donnerstag, 13.10.2016, endete der 129b-Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Ali Özel wie zu erwarten mit einem mehrjährigen Urteil: das Oberlandesgericht Stuttgart verhängte eine Haftstrafe von 3 Jahren 6 Monaten - obwohl dem angeklagten Genossen keinerlei strafbare Handlungen zugerechnet werden können.Ali Özel wird vorgeworfen, als PKK-Gebietsleiter in verschiedenen Regionen der BRD tätig gewesen zu sein, zuletzt in Stuttgart und am Bodensee. Zu seinen Aufgaben hätten Spendensammlungen, der Vertrieb und Verkauf von Informationsmaterialien und Zeitungen, die Organisierung von Veranstaltungen sowie Treffen mit anderen AktivistInnen gehört.
Zu den im Urteil angeführten "Tatbeständen" zählen beispielsweise mehrere Durchsagen bei der gemeinschaftlichen Busanreise zu Demonstrationen, die Auflagen zu berücksichtigen und sich besonnen zu verhalten. Ebenfalls Erwähnung fanden Özels Bemühungen, für Jugendliche, die bei Kundgebungen festgenommen worden waren, umgehend einen Rechtsbeistand zu finden. Selbst sein Beistand für die Angehörigen der in Paris ermordeten Aktivistin Leyla Saylemez, denen er die Nachricht vom Tod überbrachte und die er zum Flughafen begleitete, um an der dortigen Trauerfeier teilzunehmen, wurde ihm zum Vorwurf gemacht.
Es war zu erwarten, dass es zu einer Verurteilung kommen würde. Während des gesamten Prozesses arbeitete das Gericht auf den Schuldspruch hin und lehnte ZeugInnen und Anträge der Verteidigung ab.
Rechtsanwalt Martin Heiming erklärte dazu: "In diesen Prozessen steht die Verurteilung schon im Vorfeld fest, nur das Strafmaß unterscheidet sich in Nuancen."
„Faires Verfahren“ endgültig verunmöglicht
Durch einen Antrag der Verteidigung des Hauptangeklagten Müslüm Elma wurde bekannt, dass die bayerische Justiz dem türkischen Staat offenbar ermöglicht hat, in mindestens einem Fall Einsicht in den Schriftverkehr zwischen Anwalt und Verteidiger zu nehmen. Ein sog. „Kontrollrichter“, der nicht dem erkennenden Senat des OLG München, sondern dem Amtsgericht Kempten angehört, liest sämtliche Korrespondenz seit dem Beginn des Verfahrens, was ohnehin schon als fragwürdige Praxis angesehen werden kann, sollte diese doch vertraulich sein. Da der Austausch in türkischer Sprache erfolgt, lässt der „Kontrollrichter“ sämtliche Briefe ins deutsche übersetzen, um sie lesen zu können, was eine Verzögerung von zwei bis vier Wochen zur Folge hat. Doch damit nicht genug wurde nun durch den Antrag bekannt, dass für die Übersetzung ein Büro in der Türkei engagiert wurde, dass noch nicht einmal eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen musste und sich nun weigert, die erstellten Kopien der vertraulichen Post zu vernichten.
Ebenso wurden die Schriftstücke per unverschlüsselter Email in die Türkei übersandt, also in ein Land, dass sich im Ausnahmezustand befindet, auf eine Diktatur zusteuert und einen sehr hohen Grad an Telekommunikationsüberwachung durch Polizei und Geheimdienst aufweist.
Um den 10. Oktober riefen zahlreiche linke Initiativen dazu auf, Gedenkveranstaltungen für die 100 getöteten AktivistInnen abzuhalten, die bei dem Anschlag auf eine Friedensdemonstration im Jahr davor ums Leben gekommen waren.
Zu den Veranstaltungen in Ankara war auch eine Delegation aus Berlin angereist, um gemeinsam mit dem Verein der Opfer und Angehörigen (10. Ekim-DER) am Gedenken teilzunehmen.
Bereits zwei Tage zuvor wurde bei der Anreise eine Delegationsteilnehmerin am Flughafen festgenommen und nach stundenlangen Verhören nach Deutschland abgeschoben.
Die darauffolgenden Tage waren von massiver Polizeirepression geprägt. Zahlreiche Kundgebungen und Demonstrationen in mehreren Städten wurden unter Einsatz von Knüppeln und Tränengas attackiert. In Ankara hatte der Gouverneur eine Versammlung am Hauptbahnhof untersagt und lediglich Familienangehörigen das Betreten des Tatortes gestattet, während weitere AktivistInnen gezielten Angriffen der Polizeikräfte ausgesetzt waren.
Nicht erst seit der Ausrufung des Ausnahmezustandes unternehmen staatliche Stellen alles in ihrer Macht stehende, um die Erinnerung an den größten Terroranschlag der letzten Jahrzehnte in der Türkei mit 100 Todesopfern und nahezu 500 Verletzten zu behindern und zu kriminalisieren.
Ebenso wie im Fall des Bombenanschlags von Suruc am 20. Juli 2015 sollen Opfer, Angehörige und soziale Bewegungen mit Gewalt davon abgehalten werden, öffentlich die politische Aufarbeitung der Geschehnisse und die Verurteilung der Verantwortlichen zu fordern, die mitunter in türkischen Regierungskreisen vermutet werden.
Die Rote Hilfe e.V. gedenkt den Opfern der Anschläge, solidarisiert sich mit den Forderungen der Angehörigen und verurteilt die systematische Polizeigewalt sowie die Verhaftungen während der Gedenkveranstaltungen.
Bundesvorstand Rote Hilfe e.V.
Wir dokumentieren einen Brief politischer Gefangener aus der Türkei:
„Wir schreiben an Sie als VertreterInnen der internationalen Medien, weil wir hoffen, so unserer Stimme Gehör zu verschaffen.
Sie wissen von der Unterdrückung der Presse in der Türkei, bzw. dass die Schließung von Presseeinrichtungen auf der Tagesordnung der AKP-Regierung steht. Aktuell wurde die kurdische Tageszeitung „Özgür Gündem“ geschlossen. Als politische Gefangene aus der PKK und PAJK haben wir jahrelang versucht, über die Zeitung „Özgür Gündem“ die Außenwelt über die existierenden Rechtsverletzungen und Repressionen in türkischen Gefängnissen zu informieren. Doch ist mit der Schließung dieser Zeitung uns die Möglichkeit genommen, gegen ein Rechtssystem, das vollständig dem AKP-Staat mit seiner Politik dient und in dem oppositionelle Medien nahezu ausgeschaltet sind, öffentlich zu kämpfen. Parallel dazu nimmt die Unterdrückung hier zu.
So wie der eigentliche Grund für die grenzüberschreitenden Militäraktionen der Türkei in Nord-Syrien die Einheiten der YPG sind, so ist auch Fethullah Gülen nur ein Vorwand für den Ausnahmezustand (…) In den türkischen Gefängnissen gibt es Zehntausende kurdische politische Gefangene. Abdullah Öcalan befindet sich seit nahezu 18 Jahren unter verschärften Isolationsbedingungen in Haft. Zwar hat Abdullah Öcalan dank der massenhaften Proteste im In- und Ausland nach 1 ½ Jahren zum ersten Mal wieder Kontakt zur Außenwelt in Gestalt seines Bruders Mehmet Öcalan bekommen, doch befindet er sich weiterhin unter dem Vorwand des Ausnahmezustandes unter verschärften Isolationsbedingungen. Die kurdischen politischen PKK/PAJK-Gefangene werden tagtäglich von einem Gefängnis in ein anderes überstellt. Zu den Transporten und bei der Aufnahme in ein neues Gefängnis werden diese vollständig entkleidet und durchsucht und sind der Folter ausgesetzt. Diese Überstellungen und Transporte werden in so hoher Anzahl und so rasch vollzogen, dass viele Angehörige keine Nachricht darüber erhalten und oft nicht wissen, wo sich ihre gefangenen Familienmitglieder befinden. Selbstverständlich dient dies einzig und allein dem Zweck, den Willen der Gefangenen zu brechen. Und in dieser Situation ist der für uns so wichtige Weg an die Öffentlichkeit geschlossen worden.
Aufruf zur Prozessbeobachtung+++Pressekonferenz nach Urteilsverkündung+++
Am 13. Oktober 2016 geht vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der 129b-Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Ali Ö. zuende, der angeklagt ist, als Gebietsleiter für die PKK tätig gewesen zu sein. Konkrete Straftaten werden ihm nicht zur Last gelegt; dennoch fordert die Staatsanwaltschaft 4 Jahre und sechs Monate Haft.Im Prozess gegen Ali Ö., der im Dezember 2015 begann, zeigt sich erneut der unbedingte Verfolgungswille des deutschen Staates gegenüber der kurdischen Linken: selbst der Staatsanwalt räumte ein, dass sämtliche Aktivitäten, die dem Angeklagten vorgeworfen werden, sich im Rahmen einer alltäglichen Vereinsarbeit bewegen und als solche nicht strafbar sind. Vorgeworfen werden Ali Ö. beispielsweise die Organisierung von und die Teilnahme an Kundgebungen und kurdischen Kulturveranstaltungen, häufige Besuche in Vereinen sowie Spendensammlungen in dreistelliger Höhe. Doch mit dem "Antiterrorgesetz" 129b hat sich der deutsche Staat eine Allzweckwaffe geschaffen, mit der auch völlig legale Handlungen kriminalisiert werden können, wenn sie in Verbindung zu einer als "terroristisch" gebrandmarkten Organisation wie der PKK stehen.
Nach der vom türkischen Ministerpräsidenten angeordneten Schließung von 12 Fernseh- und 11 Radiosendern, werden nun die Redaktionsräume der betroffenen Sender von der Polizei versiegelt. Nachdem der Oberste Türkische Rundfunkrat (RTÜK) am 28. September die durch eine Rechtsverordnung mit Gesetzeskraft erlassene Schließung umgesetzt hatte, konnten die Sender noch einige Tage auf ihren Internetseiten weiter senden. Auch dies wurde durch Regierungsbehörden schnell unterbunden. Am heutigen Vormittag wurden schließlich die Eingangstüren der Senderzentralen durch Polizeibeamten versiegelt und die Redaktionsinventare konfisziert. Unter den Sendern sind unter anderem der kurdischsprachige Kindersender Zarok TV und das vielbeachtete, regierungskritische IMC TV. Schließungen von TV Anstalten, wie IMC TV, der stets kritisch, u.a. von den Angriffen der Regierung auf die Bevölkerung in den kurdischen Gebieten der Türkei berichtet hat, sind zum Alltag der Türkei geworden.
Im Rahmen der gestrigen Proteste gegen die Feierlichkeiten der AfD zum Tag der Deutschen Einheit wurde ein Stuttgarter Antifaschist festgenommen. Am heutigen Dienstag wurde dieser nun dem Haftrichter vorgeführt. Obwohl die Staatsanwaltschaft, bei Zahlung einer Kaution, keinen zwingenden Grund für eine Fortsetzung der Inhaftierung sah, ordnete Richter Schulze Untersuchungshaft für den Genossen an. Eine mögliche Gerichtsverhandlung wurde auf den 17. Oktober terminiert.
Über 500 Jahre nach der brutalen Eroberung der Azteken- und Inkagebiete, 125 Jahre nach dem letzten militärischen Massaker an Native Americans in den USA, und über 40 Jahre nach der gewalttätigen Unterdrückung revolutionärer bewegungen in den USA durch das Counter-Intelligiance -Programme (COINTELPRO), ist die längste Völkermord- und Kolonialgeschichte der Welt noch nicht beendet: Mord, Vertreibung, juristische Verfolgung, mangelhafte medizinische Versorgung, Zerstörung der Lebensräume und aufgezwungene Armut und Assimilation sind dabei nur ein paar Dinge, denen Indigene ausgesetzt sind.
Der Gefangene Leonard Peltier ist als ehemaliger Aktivist des American Indian Movement (AIM) eines der Opfer dieser anhaltenden repressiven Strukturen. Seit über 40 Jahren sitzt er stellvertretend für viele andere Indigene in den USA in Haft, die es wagten, ähnlich wie die Black Panthers mit der AIM gegen rassistische und tödliche Polizeigewalt aufzustehen. Peltiers behauptete Tatschuld am Tod zweier FBI Beamten im Jahr 1975 wurde nie nachgewiesen. Heute ist er ein kranker Mann. Die vielen Jahre in den Zellen verschiedener Hochsicherheitsgefängnisse haben seine Gesundheit ruiniert. Da weder Indizien noch Zeugenaussagen seine behauptete Tatschuld belegen, reichte Ramsey Clark, ehemaliger Justizminister der USA, schließlich 1993 ein Begnadigungsgesuch beim US- Präsidenten ein, der theoretisch dazu befugt ist, diese auszusprechen.
"Hallo Leute, liebe Genossinnen und Genossen, Freunde und Freundinnen
Ganz kurz ein paar Gruesse aus dem derzeit eher regnerischen Caracas, nachmittags 2 Stunden Regen, ansonsten Sonne und Nachts ein schoener, riesengrosser Vollmond.
Vor 2 Monaten wurde ich ploetzlich und entgegen aller Prognosen unter Auflagen freigelassen. An dieser Situation hat sich bis heute nichts veraendert. Ich versuche mich hier in eine Situation einzuleben, in Venezuela, einem Land, das ich gut kenne, aber nach 2 Jahren Knast kaum wiedererkennen kann. In meine alten politischen Strukturen kann ich zur Zeit nicht zurueckkehren; so versuche ich also, hier in Caracas politisch an Land zu kommen, was mir nach und nach auch gelingt. ich bin superfroh, wieder auf freiem Fuss zu sein, auch wenn meine Bewegungsfreiheit etwas eingeschraenkt ist und geniesse meine immer noch neue Situation mit jedem Atemzug.
Es freut mich, nach nunmehr mehr als 20 Jahren mitzubekommen, dass es immer noch politisch links(radikale) Stroemungen gibt, die sich dem neoliberalen Mainstream entgegenstemmen. Bleibt dabei, bleibt Euch treu! Wir brauchen uns, um politisch und kulturell zu wachsen, mehr zu werden! Von hier aus auch ein lieber Gruss und eine feste Umarmung an P. und T. Haltet durch - Alles wird gut"