Pressemitteilung:
'Am Freitag, den 19. Juni 2015, findet im Landtag ein „Runder Tisch“ zu
den Folgen des „Radikalenerlasses“ von 1972 in Baden-Württemberg statt.
Dazu haben die Landtagsfraktionen der Grünen und der SPD 12 ehemals
Betroffene und einen Rechtsanwalt eingeladen. Mit einem Vertreter der
FDP-Fraktion findet ein gesondertes Gespräch statt.
Im Vorfeld wurden den Parlamentariern zahlreiche Fallschilderungen
zugeleitet.„Wir begrüßen diesen Runden Tisch als ersten Schritt“, erklärte Klaus
Lipps, Sprecher der Initiative „40 Jahre Radikalenerlass“. „Wir werden
das uns Mögliche tun, um den Abgeordneten anhand der ganz konkreten
Abläufe und Schicksale aufzuzeigen, wie hier Unrecht geschah.“ Die
Bandbreite reichte damals von Drohungen über Ausbildungsverbote bis zum
Herausholen eines auf Lebenszeit verbeamteten, bewährten, beliebten
Lehrers aus dem Unterricht, nachdem ihn eine Disziplinarkammer unter dem
Vorsitz des ehemaligen SS-Mannes Helmut Fuchs in einem Geheimverfahren
‚aus dem Dienst entfernt’ hatte. „In keinem der uns bekannten Fälle
konnte jemandem ein dienstlich oder strafrechtlich relevanter Verstoß
vorgeworfen werden. Was die angeblichen ‚Verfassungsfeinde’ zu ihrer
Einstellung zur Verfassung zu sagen hatten, hat nicht interessiert.
Es ging einzig um ihre politischen Aktivitäten und Meinungsäußerungen, um
Mitgliedschaften in legalen Organisationen. ‚Abschwören’ sollten wir,
austreten – darum ging es“, erklärt Klaus Lipps. „Das muss auch in
Baden-Württemberg endlich als Unrecht erkannt und es müssen Konsequenzen
daraus gezogen werden.“Der runde Tisch müsse ein erster Schritt sein zu einer parlamentarischen
Aufarbeitung wie sie 2012 in Bremen und 2014 in Niedersachsen erfolgte.
Im Jahr 2000 habe es im baden-württembergischen Landtag eine leider nur
halbherzige Bemühung gegeben, mit dem Thema fertig zu werden.„Wir wollen jetzt endlich eine Entschuldigung,
eine Rehabilitierung und in Einzelfällen, in denen die Betroffenen jetzt unverschuldet in die
Altersarmut gehen, eine materielle Entschädigung - ähnlich den
Vorschlägen, die der DGB Niedersachsen vorgelegt hat. Das erwarten wir
noch in dieser Wahlperiode. Weder der Runde Tisch noch eine
wissenschaftliche Aufarbeitung kann dazu die Alternative sein.Auch in Deutschland gelten EU-Standards und
wir empfehlen einen Blick in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Wundert es jemanden, wenn das
auch Nazis für sich in Anspruch nehmen wollen? Dazu sollte man den
Artikel 139 des Grundgesetzes zur Kenntnis nehmen, wonach in Deutschland
- laut weiter geltendem Potsdamer Abkommen – ‚jeder nazistischen und
militaristischen Betätigung und Propaganda ... vorzubeugen ist’.
Alle Betroffenen, für die wir sprechen, sind natürlich Nazigegner. Ihre
Biografien weisen sie als engagierte Demokraten aus.“Das letzte tatsächliche Berufsverbot in unserem
Lande wurde 2003 gegen einen Heidelberger Lehrer ausgerechnet deshalb verhängt, weil er sich in
einer Antifaschistischen Initiative engagiert. Der Verwaltungsgerichtshof hob 2007 dieses Berufsverbot auf, der Betroffene
musste eingestellt werden und bekam sogar Schadenersatz zugesprochen. Dennoch bespitzelt der „Verfassungsschutz“ ihn bis heute unverdrossen
weiter. Das ist ein unerträglicher Skandal!
Für die Initiativgruppe '40 Jahre Radikalenerlass'
Klaus Lipps