Garmisch-Partenkirchen, den 06.06.2015
Am heutigen Samstag sollte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH)
über die Klage gegen das weitgehende Verbot des Sternmarsches
entscheiden. Auf mehrmalige Nachfragen der Rechtsanwält*innen, die das
Bündnis „Stop G7" in der Klage vertreten, erklärte das Gericht, mit
einem Urteil sei keinesfalls vor 19 Uhr zu rechnen. Offenbar wird das
Verfahren absichtlich verschleppt, so dass eine Verfassungsbeschwerde
gegen die weitgehende Abschaffung der Versammlungsfreiheit für den
morgigen Tag praktisch unmöglich werden würde.
Das Verwaltungsgericht München hatte am gestrigen Freitag die an ein
Komplettverbot grenzenden Beschränkungen für den Sternmarsch gegen den
G7-Gipfel in fast allen Punkten bestätigt. Nur eine Delegation von 50
Personen soll demnach den internationalen Protest am Sonntag symbolisch
übermitteln und sich dem Tagungsort kurzzeitig bis auf Sicht- und
Hörweite nähern dürfen.
Gegen die umfassenden Beschränkungen hatte das Bündnis „Stop G7"
Beschwerde eingelegt, um zumindest eine symbolische Minimalversion der
ursprünglich angemeldeten Demonstrationszüge zu erwirken. Auch das
Landratsamt Garmisch-Partenkirchen hatte das Urteil nicht akzeptiert, um
das Komplettverbot aufrechtzuerhalten.
Seit Wochen werden die Proteste gegen den G7-Gipfel auf Schloss Elmau
anhand an den Haaren herbeigezogener Gefahrenprognosen kriminalisiert.
In einem von skandalorientierten Medien und populistischen
Politiker*innen aufgeheizten Klima werden die angemeldeten Versammlungen
entweder komplett verboten oder mit völlig absurden Auflagen zu einer
Farce gemacht. Dabei gibt es immer wieder eine Arbeitsteilung der
staatlichen Repressionsorgane: nach einem Komplettverbot durch Polizei
und Ordnungsämter müssen die Protestbündnisse die Schikanen in
kostspieligen Gerichtsverfahren anfechten, um dann in einzelnen Aspekten
Recht zu bekommen, während ein Großteil der Auflagen bestätigt wird.
Dieses Ergebnis wird dann seitens der Behörden gönnerhaft als
Zugeständnis an das Grundrecht der Demonstrierenden, ihre Kritik
lautstark und sichtbar zu äußern, verkauft.
Am gestrigen Freitag wiederholte sich dieses Spiel vor dem
Verwaltungsgericht München. Das minimale Zugeständnis war in diesem Fall
die Zulassung von 50 symbolischen Protestierenden in Hör- und Sichtweite
des Tagungsortes, während den restlichen Tausenden von
GipfelkritikerInnen dieses Grundrecht verwehrt bleibt. Diese
„Alibi-Demonstrant*innen" sollen als pseudo-demokratisches Feigenblatt
einer absolut versammlungsfeindlichen Politik herhalten und der
Weltpresse suggerieren, dass auch in Bayern das Grundrecht auf
Versammlungsfreiheit gilt.
Ansonsten schloss sich das Gericht in vielen Punkten den völlig
abstrusen Einschätzungen von Polizei und Verfassungsschutz an, die etwa
die Verwendung des Begriffs „kämpfen" in Aufrufen zu den Protesten oder
aber eine allgemeine vermeintlich bundesweit gestiegene
Gewaltbereitschaft gegenüber den Einsatzkräften als Grundlage für ein
Verbot nannten. So wurde den Gipfel-Kritiker*innen die prinzipielle
Bereitschaft zur Blockade von Rettungsfahrzeugen unterstellt – und dies
beispielsweise anhand des Widerstands gegen die Räumung des
Hungerstreik-Camps auf dem Münchner Rindermarkt begründet. Selbst eine
Fortbewegung „in Zweierreihen oder im Gänsemarsch" sei ein zu hohes
Risiko, da die bloße Nähe von so viel kritischer Bevölkerung die
Sicherheit der Staatsgäste gefährde. Das Landratsamt
Garmisch-Partenkirchen, das die Aushebelung der Versammlungsfreiheit per
Auflagenbescheid erarbeitet hatte, erklärte, „die störungsfreie
Durchführung einer Veranstaltung der Bundesrepublik Deutschland genieße
verfassungsrechtlichen Schutz" - im Gegensatz zu den offenbar
vernachlässigbaren Grundrechten aller anderen.
Der Ermittlungsausschuss zum G7 protestiert entschieden gegen die
derzeitige komplette Verhinderung von unliebsamen Meinungen und
Protesten im Sichtfeld der Gipfel-Teilnehmer*innen. Wir fordern ein
sofortiges Ende der willkürlichen Repressalien und Kontrollen, denen
sich die G7-Gegner*innen bereits bei der Anreise ausgesetzt sehen und
die ihre Bewegungsfreiheit im Großraum massiv einschränken.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung:
01522-4582715
Der Ermittlungsausschuss zum G7 besteht aus bundesweiten Rote-Hilfe-,
EA- und anderen Rechtshilfestrukturen. Er kümmert sich um linke
Aktivist*innen, die in Gewahrsam oder festgenommen wurden, und
vermittelt bei Bedarf solidarische Anwält*innen des Legal Teams.